Foto: GFSN (GRÜNE-Fraktion Sachsen)

Tillich in Prag/Naturschutz/Staustufenbau − GRÜNE: Schweigt der Ministerpräsident zu einem schwerwiegenden Verstoß Tschechiens gegen geltendes EU-Recht?

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(2016-66) Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Sächsischen Landtag erwartet von Ministerpräsident Stanislaw Tillich, dass er bei seinem Besuch am Mittwoch in Prag die jüngsten Beschlüsse der tschechischen Regierung zum Elbtal von der deutsch-tschechischen Grenze bis nach Děčin anspricht.
Die tschechische Regierung hatte beschlossen, diesen Elbeabschnitt nicht unter Schutz (als Natura-2000-Gebiet) zu stellen. Und das, obwohl die Europäische Kommission Prag wiederholt genau dazu aufgefordert hat. Dieser Abschnitt erfüllt die Kriterien eines Natura-2000-Gebietes und ist Lebensraum vieler geschützter Arten.
In diesem Teil der tschechischen Elbaue befinden sich die mit am besten erhaltenen Weichholzauen am gesamten Fluss. Sie stehen unter dem prioritären Schutz der europäischen Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH-Richtlinie) und müssen zwingend in die europäischen Schutzgebietsmeldungen eingegliedert werden.

„Nur um die Planungen zur Staustufe voranzutreiben, ignoriert Tschechien geltendes EU-Recht. Wenn die sächsische Staatsregierung dazu schweigt, deckt sie dieses Vorgehen. Ich erwarte, dass sich der Ministerpräsident dafür einsetzt, dass das Elbtal auch auf tschechischem Gebiet als Natura-2000-Gebiet unter Schutz gestellt wird“, erklärt Wolfram Günther, umweltpolitischer Sprecher der Fraktion.
„Sachsen ist von diesem Bruch des EU-Rechts direkt betroffen. Nach Artikel 4.1 der EU-Wasserrahmenrichtlinie sollen die europäischen Mitgliedsstaaten für einen guten ökologischen und chemischen Zustand ihrer Gewässer sorgen. Die EU hat für diese Gewässer ein Verschlechterungsverbot ausgesprochen.“

„Der Bau der bei Děčin geplanten Staustufe wäre ein massiver Eingriff in das Ökosystem der Elbe und führt zur Verschlechterung ihres ökologischen Zustands“, kritisiert Günther. „Ich fürchte, dass dann auch auf deutschem Hoheitsgebiet die Ziele der Wasserrahmenrichtlinie im grenznahen Bereich nicht erreichbar sind und sich der Zustand der Schutzgebiete in der Elbaue verschlechtert. Der Neubau von Stauanlagen in bislang überwiegend frei fließenden Flüssen wie der Elbe in Sachsen verursacht sehr umfangreiche und nicht ausgleichbare Veränderungen des Fließgewässerökosystems bzw. des Naturhaushaltes insgesamt. Diese negative Entwicklung ist von der sächsischen Staatsregierung bzw. den sächsischen Umweltbehörden zu unterbinden.“

„Unmittelbar an der Staatsgrenze ist die Elbe auf sächsischer Seite als FFH-Gebiet ‚Elbtal zwischen Schöna und Mühlberg‘ festgelegt. Fehlt auf tschechischer Seite dieser Schutz, hat dies durch den fehlenden Biotopverbund negative Auswirkungen auf Sachsen. Kommt die Staustufe, werden es europäisch geschützte Fischarten wie Barbe, Flussneunauge und Rapfen auch in Sachsen schwer haben. Die Wiederansiedlungsversuche des Lachses drohen einen deutlichen Rückschlag zu erleiden. Solche Auswirkungen auf europäische Schutzgebiete sind europarechtlich nicht haltbar“, erläutert der Abgeordnete.

„Ich erinnere CDU und SPD an ihren eigenen Koalitionsvertrag. Dort können sie nachlesen: >>Die Koalitionspartner stehen für eine umweltverträgliche Nutzung der Elbe, die mit dem Naturhaushalt im Einklang steht. Der Ausbau der Elbe steht diesem Ziel entgegen und wird daher von den Koalitionspartnern ebenso abgelehnt wie eine weitere Vertiefung und der Bau neuer Staustufen. Dabei ist hinzunehmen, dass eine ganzjährige Schiffbarkeit nicht gewährleistet ist.<<“

Auch aus wirtschaftlicher Sicht sind die geplanten Investitionen in die Staustufe von bis zu 250 Mio. Euro nach Günthers Meinung abzulehnen.
„Das Kernproblem für eine zuverlässige Binnenschiffbarkeit besteht in den natürlicherweise über längere Perioden auftretenden extremen Niedrigwasserständen. Der Elbe fehlt mittlerweile jährlich durchschnittlich ein halber Meter an Wassertiefe. Dieses fehlende Wasser kann weder herbeigebaut noch herbeigebaggert werden. Die Elbe eignet sich nicht als verlässliche und rentable Wasserstraße.“

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