Innenminister widerspricht sich selbst: Sachsen verweigert die Einführung der Mietpreisbremse

Foto: pixabay.com

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(2016-116) 29.03.2016.   Sachsen verweigert als eines der letzten vier Bundesländer die Einführung einer Mietpreisbremse. Wolfram Günther, baupolitischer Sprecher der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Sächsischen Landtag, hat dazu eine Kleine Anfrage an die Staatsregierung gestellt. Auf die Antworten von Innenminister Markus Ulbig (CDU) reagiert er mit völligem Unverständnis.

Die sächsische Staatsregierung sieht keine Notwendigkeit, in Dresden oder Leipzig die Mietpreisbremse einzusetzen. Dabei können nach dem Gesetz der Bundesregierung zur Mietpreisbremse auf überhitzten Wohnungsmärkten Mieterhöhungen bei Weitervermietung begrenzt werden. Sie dürfen dann nur zehn Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen.
Ein aktuelles vom Innenministerium beauftragtes Gutachten der empirica AG Berlin hat nun ergeben, dass angeblich in keiner sächsischen Gemeinde die Situation des Wohnungsmarktes angespannt sei.

„Das Gutachten ist das Papier nicht wert, auf dem es geschrieben steht. Wer behauptet, es gebe in Dresden und in Teilen von Leipzig keinen angespannten Wohnungsmarkt, der hält seine Augen

ganz fest verschlossen“, kritisiert der Abgeordnete.

Absurderweise widerspricht sich Innenminister Ulbig zudem selbst:
„Am 31.07.2015 trat in Sachsen ein anderes wohnungspolitisches Instrument − die Kappungsgrenzen-Verordnung − in Kraft. Damit dürfen in Dresden die Bestandsmieten innerhalb von drei Jahren nur noch um max.15 Prozent erhöht werden. Begründet wurde diese Entscheidung genau mit dem angespannten Wohnungsmarkt, den Minister Ulbig heute verleugnet.“

In der Sächsischen Kappungsgrenzen-Verordnung heißt es: >>Die Kreisfreie Stadt Dresden ist eine Gemeinde im Sinne des Paragraf 558 Absatz 3 Satz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs, in der die ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen zu angemessenen Bedingungen besonders gefährdet ist.<<

„Meiner Ansicht nach entspricht der Dresdner Wohnungsmarkt in Gänze und der Leipziger Wohnungsmarkt in Teilbereichen den vom Bund geforderten Kriterien als ‚Gebiet mit einem angespannten Wohnungsmarkt‘. Der von empirica konstatierte Mietanstieg bei Neuvertragsmieten in Dresden (6,9 Prozent) und in Leipzig (7,6 Prozent) zwischen 2012/13 und 2014/15 liegt deutlich über dem Bundesdurchschnitt (5,4 Prozent)“, erläutert der Abgeordnete.
„Wer diese Mietentwicklung tatsächlich dämpfen will, muss alle Möglichkeiten ausschöpfen. Dazu gehört die Deckelung der Mieten bei Neuvermietung von Wohnungen auf höchstens zehn Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete.“

Die Wohnbevölkerung in Dresden und Leipzig wächst, ohne dass dem eine entsprechende Neubautätigkeit gegenüber steht. Bei einem marktaktiven Leerstand von weniger als zwei Prozent im Jahr 2015 (Quelle: Mieterverein Dresden) ist die Zahl der Haushalte in Dresden gestiegen.
Nach Angaben des Amtes für Statistik und Wahlen Leipzig hat sich der Leerstand dort zwischen dem Jahr 2011 und Ende 2014 halbiert. Ende 2014 gab es nur noch einen Leerstand von vermietbaren Wohnungen von sechs Prozent. Die durchschnittlichen Preise der Kaltmieten bei Neuvermietungen in Dresden betrugen laut empirica in Dresden 2014/15 6,78 Euro je Quadratmeter und in Leipzig durchschnittlich 5,49 Euro je Quadratmeter (Euro/m²).

„Die letzte Datengrundlage, mit der empirica gearbeitet hat, ist nunmehr ein Jahr alt. Die Situation hat sich inzwischen noch verschärft. Laut den aktuellen Zahlen des großen Immobilienportals Immo-Welt liegt die durchschnittliche Kaltmiete bei Neuvermietungen in Dresden bei 7,96 Euro/m² und in Leipzig bei durchschnittlich 6,59 Euro/m².

In Leipzig will Sachsens CDU/SPD-Koalition weder die Mietpreisbremse noch die Kappungsgrenzen-Verordnung einführen – das ist ein Trauerspiel“, kritisiert Günther.
„Was sagt eigentlich die SPD zu dieser Realitätsverweigerung des sächsischen Innenministers? Noch im März 2015 hatte der Landtagsabgeordnete Albrecht Pallas für die SPD-Fraktion die mögliche Einführung der Mietpreisbremse für Sachsen begrüßt und das Innenministerium zur Einführung der nötigen Rechtsverordnung aufgefordert. Auch auf der Webseite des Vorsitzenden der SPD-Fraktion im Sächsischen Landtag, Dirk Panther, kann ich nachlesen, dass wir in Sachsen eine Mietpreisbremse brauchen, um den ungezügelten Anstieg der Mieten endlich begrenzen zu können.“

Der Antrag der GRÜNEN-Fraktion zur Einführung einer Mietpreisbremse in Sachsen wurde von CDU- und SPD-Fraktion Mitte Juni 2015 mit dem Hinweis abgelehnt, erst in Ruhe den Bedarf ermitteln zu wollen. „Seitdem hat sich der Wohnungsmarkt in den sächsischen Ballungsräumen noch verschärft. Ich erwarte von den Abgeordneten Pallas, Panther und den anderen Abgeordneten der Regierungskoalition, dass sie ihren Worten jetzt auch Taten folgen lassen und die Mietpreisbremse in Sachsen tatsächlich auf den Weg zu bringen“, fordert der Abgeordnete. „Mittlerweile haben 12 Bundesländer die Mietpreisbremse eingeführt. Sachsen hinkt den Realitäten – wie leider oft – meilenweit hinterher.“

» Antwort von Innenminister Markus Ulbig (CDU) auf die Kleine Anfrage des Abgeordneten Wolfram Günther (GRÜNE): ‚Einführung der Mietpreisbremse (Begrenzung der Mieten bei Neuvermietung von Bestandswohnungen auf maximal 10 Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete) in einzelnen sächsischen Gemeinden bzw. Gemeindegebieten‘ (Drs 6/4258)

» Antwort von Innenminister Markus Ulbig (CDU) auf die Kleine Anfrage des Abgeordneten Wolfram Günther (GRÜNE): ‚Ausweitung der Kappungsgrenzen-Verordnung (Bestandsmieten dürfen innerhalb von drei Jahren nur um max.15 Prozent erhöht werden) in Sachsen über das Gebiet von Dresden hinaus‘ (Drs 6/4259)

» Gutachten zur Mietpreisbremse von empirica AG Berlin

» Aktuelle Neuvermietungszahlen in Dresden und Leipzig bei Immowelt

» Sächsische Kappungsgrenzen-Verordnung vom 10. Juli 2015

» Der GRÜNE Antrag ‚Mietpreisbremse bei Neuvermietungen in von Wohnungsverknappung und kontinuierlich steigenden Mieten besonders betroffenen sächsischen Kommunen umsetzen‘ (Drs 6/1761)

» Plenarprotokoll zur Einbringung des GRÜNEN-Antrages vom 11.6.2015 (ab Seite 81)

» PM MdL Pallas vom 15.3.2015 ‚Mietpreisbremse kommt‘

» PM MdL Panther 27.8.2014 ‚Staatsregierung redet Probleme auf dem Wohnungsmarkt klein‘
Hintergrund:
Mit dem am 01.06.2015 in Kraft getretenen Mietrechtsnovellierungsgesetz (MietNovG) besteht für die Bundesländer die Möglichkeit, in besonders festzulegenden Gebieten, in welchen die Versorgung der Bevölkerung mit bezahlbarem Wohnraum kritisch ist, die Mieterhöhung bei der Neuvermietung von Bestandswohnungen auf maximal zehn Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete zu begrenzen. Neubauwohnungen, die nach dem 01.10. 2014 erstmals vermietet werden, fallen nicht unter die Beschränkung. Gleiches gilt für die erste Vermietung einer Wohnung nach umfassender Modernisierung.

Bisher haben Bayern, Baden-Württemberg, Berlin, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein und Thüringen Gebiete bestimmt, in denen die Mietpreisbremse gilt. Auch die Landesregierung Niedersachsen hat sich für die Einführung der Mietpreisbremse im Jahr 2016 entschieden. Keine Initiativen zur Einführung der Mietpreisbremse in ausgewählten Städten gibt es aktuell im Saarland, in Mecklenburg-Vorpommern und in Sachsen-Anhalt.

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