Redebeitrag des Abgeordneten Wolfram Günther zum GRÜNEN-Prioritätenantrag:
„Umgang und Maßnahmen des Freistaates Sachsen in Zusammenhang mit den Auswirkungen des Vollherbizids Glyphosat“ (Drs 6/5244)
37. Sitzung des 6. Sächsischen Landtags, 23. Juni 2016, TOP 3
– Es gilt das gesprochene Wort –
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,
unser Antrag hat das Ziel, die Debatte etwas zu versachlichen. Sie bemerken, dass Glyphosat mittlerweile ein Thema ist, das fast jeder mitbekommen hat, auch der, der sich nicht explizit mit Landwirtschaftspolitik beschäftigt. Wir wissen, dass auch heute eine nicht ganz unwesentliche Entscheidung auf europäischer Ebene ansteht.
Es steht uns auch gut an, dieses Thema hier in Sachsen zu diskutieren, und zwar vor dem Hintergrund, dass Glyphosat ein Total-Herbizid, das in der Landwirtschaft verwendet wird, das meist ausgebrachte Pflanzenschutzmittel überhaupt ist. Die
Diskussion, welche Probleme daran hängen, bezieht sich auf drei Bereiche. Es geht um die Gesundheit von uns Menschen – das ist auch das, was aktuell in der Öffentlichkeit besonders diskutiert wird -, es geht aber auch um gesundheitliche Folgen für Tiere, für Nutztiere und um Auswirkungen auf die Umwelt, auf Flora und Fauna, darunter also auch wieder Tiere.
Was wir feststellen müssen, ist, dass unser Wissen über die Wirkung des Ganzen noch lange nicht ausreicht. Das ist auch eigentlich ganz logisch. Unsere Welt ist so komplex, auch die Wirkungsgefüge in der Natur, wenn man dort Dinge ausbringt und wirken lässt, dass wir das nie vollständig verstehen können. Deshalb ist es erst einmal auch gar kein Vorwurf, wenn gesagt wird, dass man, wenn Mittel in Verkehr gebracht werden, man dazu eine endliche Anzahl von Voruntersuchungen und Laboruntersuchungen oder auch manchmal etwas im Freiland machen kann. Aber deswegen weiß man noch nicht, was am Ende auf einen zukommt. Das ist bei jedem Medikament so, bei jeder technischen Anlage, schlichtweg bei allem. Das kann man auch nicht umdrehen, denn sonst könnte man gar nicht mehr handeln. Das ist also erst einmal gar kein Vorwurf.
Aber wichtig ist, wenn sich Anzeichen mehren, dass vielleicht die Nebenwirkungen, vielleicht auch die Vorteile, wegen der man Dinge einsetzt, dramatischer sind als anfangs gedacht, und dass vielleicht die Nachteile überwiegen, dass man dann aufmerksam ist und prüft, ob man nachsteuern muss. Dazu braucht es Klarheit, und dem soll unser Antrag dienen, hierzu einfach mehr Wissen aufzubauen.
Nun zum Hintergrund. Ich hatte die Menge schon kurz angesprochen. Allein in Deutschland werden jährlich 5.000 bis 6.000 Tonnen reine Wirkstoffmengen ausgebracht. Dass das in einem komplexen Ökosystem nicht ganz folgenlos bleiben kann, ist vielleicht jedem klar – und auch, dass das immer mehr wird. Noch vor zehn Jahren war es gerade mal die Hälfte. Vor dem Hintergrund, dass wir wenig wissen und in welchen Mengen wir diesen Wirkstoff in unsere Umwelt ausbringen, in der wir alle leben, kann man sagen: Es ist etwa so, wie wenn man mit verbundenen Augen volle Fahrt auf der Autobahn unterwegs ist.
An den Einsatz gewöhnt man sich vielleicht schnell in der Landwirtschaft. Ich bin gerade von einer Kollegin nach einer Aspirin gefragt worden. Wenn man Kopfschmerzen hat, ist das oft die eine Antwort. Man setzt es einfach ein, weil es ein einfaches, leichtes Mittel ist, nämlich als Total-Herbizid. Aber die Fragen, was man sonst noch tun könnte, um ohne auszukommen, stellt man sich dann oft gar nicht mehr.
Zur Gesundheit: Wo liegen denn diese Wege? Man weiß, dass es über den Darm in die Blutbahn kommt, dass es sich in alle Körperteile bewegt. Man weiß, dass es Spurenelemente bindet wie Kupfer, Mangan, Kobalt. Die sind dann nicht mehr für den Körper verfügbar. Man weiß, dass es die Vermehrung von Enterokokken und anderen Bakterien hindert. Das heißt, es behindert, es wirkt sich aus auf eine gesunde Darmflora sowohl beim Menschen als auch bei den Tieren. Für viele Folgen gibt es viele Anzeigen, ob Krebs, Fruchtbarkeit, Embryonalentwicklung, Erbgut, also auch Missbildungen. Das ist alles nicht so leicht vom Tisch zu wischen, aber damit sind wir noch nicht fertig.
Da gibt es die einen Studien, die ja sagen, die anderen sagen nein, aber es gibt auch nichts, wo wir sagen dürfen, hier können wir uns entspannt zurücklehnen. Die Anzeichen für Auswirkungen auf das Ökosystem verdichten sich noch viel mehr.
Da ist der Artenrückgang, den wir erleben. Mittlerweile sind 60 Prozent aller heimischen Arten in den Abstufungen zwischen gefährdet bis ausgestorben. Das ist ein Alarmzeichen. Dabei spielt auch Glyphosat keine unwesentliche Rolle. Die Reste davon, die im Boden sind, reichern sich dort an, belasten Oberflächengewässer, Grundwasser und haben noch ganz vielfältige Auswirkungen auf Nichtzielorganismen, also die Tiere und Pflanzen, die man eigentlich nicht bekämpfen wollte – ganz vorn etwa Amphibien und Fische.
Das weiß man schon recht genau. Das ist auch ganz logisch. Wenn ich ein Total-Herbizid einsetze, das alle Pflanzen plattmacht, dann räume ich alle Wildkräuter, die eigentlich in der Landschaft sind, ebenfalls weg. Die sind dann schlichtweg nicht mehr vorhanden. Das hat wiederum Folgen, weil sie Nahrungsgrundlage für weitere Tierarten sind. Wenn diese keine Nahrung finden, sind sie natürlich auch nicht mehr da. In unserem hochkomplexen Ökosystem gibt es viele Tierarten, die genau auf spezielle Pflanzen angewiesen sind. Sobald die Pflanze weg ist, ist auch die komplette Tierart verschwunden. Das ist genau das, was wir erleben.
Glyphosat ist dabei nur ein Stoff, der ausgespritzt wird. Ich möchte das Größenverhältnis verdeutlichen: Von unseren 1,4 Millionen Hektar Landesfläche sind knapp 1 Million Hektar Landwirtschaftsfläche. Das ist ein wirksamer Hebel, der dort ansetzt.
Das alles hat auch Auswirkungen auf Bodenmikroorganismen, Bakterien, Pilze. Da existiert ein ganz empfindliches Gleichgewicht. Es gibt Symbiosen von verschiedenen Organismen, in die eingegriffen wird. Das sind ganz komplexe chemische und biologische Prozesse. Dass dabei Dinge passieren können, die man vorher nicht absehen konnte, ist eigentlich naheliegend. Das ist genau das, was zu erwarten ist.
Es werden – das ist auch ein Nachteil für den Landwirt selbst – ganz natürliche Abwehrprozesse unterdrückt. Wenn ich ein Medikament nehme, dann gewöhne ich dem Körper ab, sich selber gegen Dinge, die auf ihn zukommen, zu wehren. Das mache ich auch mit den Pflanzen. Ich setze das Total-Herbizid ein. Da muss sich die Pflanze nicht mehr natürlich wehren. Dann muss man auch keine Symbiosen mit Nützlingen eingehen, die vielleicht Schädlinge abwehren oder andere Pflanzen unterdrücken. All das brauche ich dann nicht mehr und züchte es zurück.
Immer wenn ich ein Mittel einsetze, dann „mendele“ ich die Sachen raus, die dagegen immun sind. Dazu gibt es jedes Jahr eine neue Zahl. Aktuell sind wir schon bei 35 glyphosatresistenten Beikräutern. Das sind sogenannte Superunkräuter. Aus Kanada gibt es schon die Bilder, wo auf bestimmte Kräuter nicht mehr ausgesprüht, sondern 100 Prozent Wirkstoff per Hand auf die Pflanzen ausgebracht wird. So weit müssen wir vielleicht nicht kommen.
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