Beim Wohnungsbau muss man auf ein heterogenes Bild antworten – und die Probleme dort angehen, wo sie bestehen

Redebeitrag des Abgeordneten Wolfram Günther zum GRÜNEN-Prioritätenantrag:
„Sozialen Wohnungsbau stärken – Demografischen Wandel begleiten – neue Instrumente nutzen“ (Drs 6/5375)
36. Sitzung des 6. Sächsischen Landtags, 22. Juni 2016, TOP 6

 

– Es gilt das gesprochene Wort –

 

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,

ich werde versuchen, einen etwas sachlicheren Beitrag zu bringen und nicht verschiedene Bevölkerungsgruppen aufeinanderzuhetzen, auch wenn man gerade behauptet, das Gegenteil tun zu wollen.

Wir haben uns, als wir diesen Antrag gesehen haben, zunächst einmal sehr gefreut, denn es ist nur wenige Monate her, als wir GRÜNEN einen ähnlich lautenden Antrag eingebracht haben. Wir freuen uns auch immer über Lernprozesse in der Koalition und möchten dann auch immer gern zustimmen. Als wir aber ins Kleingedruckte geschaut haben nach dem großen Titel, ist es mir ein bisschen schwer gefallen, der Fraktion zu empfehlen, dem zuzustimmen. Die Grundrichtung stimmt ganz unbenommen, aber es gibt doch erhebliche Mängel an diesem Antrag. Ich kann Sie nur bestärken, auf diesem Weg weiter voranzugehen, aber doch noch einmal deutlich nachzujustieren. Ich möchte das auch gleich unterfüttern.

Das Erste, was man noch einmal loben muss, ist: Bisher haben Sie die Entwicklung in Sachsen immer eher nach Durchschnittswerten betrachtet und jetzt haben Sie endlich zu einem differenzierten Bild gefunden, dass es eben in den Großstädten unterschiedliche Situationen gibt gegenüber dem ländlichen Raum, den Kleinstädten und Mittelstädten -, und selbst in den Großstädten gibt es ein heterogenes Bild. Deswegen muss man auf so ein heterogenes Bild antworten und die Probleme dort, wo sie bestehen, entsprechend angehen.

Vielleicht noch zur Notwendigkeit des sozialen Wohnungsbaus. Auf eine Kleine Anfrage hatte ich ein paar Zahlen bekommen, die mich erschreckt haben, weil ich es in diesem Ausmaß gar nicht vermutet hatte. Im Jahr 2010 hatten wir noch über 56.000 Sozialwohnungen, also Wohnungen mit Belegungsrechten und Mietpreisbindung. Im Jahr 2015 sind es noch 10.815 Wohnungen – ein dramatischer Rückgang. Allein in Leipzig waren es 2010 noch 45.000, dort haben wir jetzt noch 391, also fast keine mehr. Von diesen 10.815 Wohnungen sind circa 10.000 in Dresden, sie bündeln sich also hier.
Das kann man auch erklären, denn als die WOBA damals verkauft wurde, hat man sich noch Belegungsrechte für 20 Jahre gesichert; es läuft also im Jahr 2026 aus.

Wenn man nicht massiv gegensteuert, haben wir in ein paar Jahren keine mehr in Sachsen, und auch jetzt nützen die verbliebenen Sozialwohnungen in Dresden natürlich anderen Bewohnern in anderen Städten wie beispielsweise Leipzig nichts.

Noch einmal zu diesen Mieten, Herr Spangenberg. Man muss immer Bestandsmieten und Neuvermietungsmieten unterscheiden. Leute, die eine neue Wohnung brauchen – und es ist etwas sehr Normales, dass Menschen aus geänderten Lebenssituationen eine neue Wohnung brauchen -, müssen schauen, zu welchem Preis sie sie bekommen. In Dresden sind mittlerweile 8,00 Euro Kaltmiete zu zahlen. Das ist sehr schwierig, wenn man weiß, dass die Kosten der Unterkunft bei circa 5,50 Euro liegen; das ist ein reales Problem.

Leerstand – wir haben schon gehört, das ist im Prinzip die normale Fluktuation – haben wir praktisch keinen mehr. Das ist aber nicht nur Dresden allein, auch in Radebeul liegen wir schon bei 7,75 Euro, in Radeburg immerhin bei 6,50 Euro, und ähnliche Phänomene gibt es auch in der Umgebung von Leipzig, etwa in Markkleeberg, wo die Miete bei 6,50 Euro liegt. Diese Probleme sind an vielen Punkten in Sachsen tatsächlich vorhanden und dem stehen keine Sozialwohnungen mehr gegenüber.

Jetzt zum Kritikpunkt an Ihrem Antrag, der sonst genau in die richtige Richtung geht. Es sind viele Punkte – beispielsweise, wofür das Geld ausgegeben werden soll, zum Beispiel für genossenschaftliches Wohnen, sodass man nicht nur kapitalorientierte Wohnungsanbieter hat, sondern eben auch andere Formen wie Genossenschaften; das muss man alles nicht neu erfinden, das hatten wir vor über hundert Jahren auch schon.
Die Stadt Leipzig etwa hat die Meyerschen Häuser, es gibt Stiftungen und ganz verschiedene Modelle. Es gibt Wohnungsanbieter, die nicht nur die Rendite im Auge haben, sondern auch etwas Soziales. Ich möchte ausdrücklich noch einmal loben, dass sich in diesem Antrag wiederfindet, dies mit zu fördern.

Ein Problem ist: Wir haben bisher in Sachsen aus diesen Bundeszuweisungen und dem, was an Rückflüssen kommt – an Rückzahlungen von Darlehen im sozialen Wohnungsbau -, circa 60 Millionen Euro jährlich. Jetzt wissen wir, dass bundespolitisch ordentlich draufgesetzt werden soll, und wenn es richtig gut läuft, kann es sich sogar verdoppeln. Wie viel es wird, wissen wir aber noch nicht. In Ihrem Antrag steht drin: Nur das, was zusätzlich kommt, soll tatsächlich für den sozialen Wohnungsbau ausgegeben werden. Das ist nicht der richtige Weg, sondern angesichts der Aufgabe, die vor uns steht, muss das natürlich alles umfassen.

Ein zweiter Kritikpunkt: Die Kappungsgrenzen finden sich darin nicht wieder, obwohl diese ein sehr wichtiges Instrument sind. Für Bestandsmieten beträgt die maximale Erhöhung 15 Prozent in drei Jahren und nicht die 20 Prozent, die man sonst schon hatte. In Dresden ist es ja schon eingeführt, aber etwa in Leipzig noch nicht. Es findet sich aber im Antrag nicht als Instrument wieder.

Die Mietpreisbremse, also die maximal 10 Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete bei Neuvermietungen, fehlt ebenfalls. Sie wollen es zwar prüfen, aber die Zeiten sind jetzt langsam zu weit fortgeschritten, sodass man es einführen und nicht nur weiter prüfen müsste. Dort verschlafen wir jetzt weitere Zeit.

Wenn diese Punkte hineinkämen, dann würden wir dem Antrag auch gern zustimmen. Vielleicht erinnern Sie sich daran: Als wir unseren eigenen Antrag hatten, hatten wir noch eine Staffelung der Förderung. Es ging um Bauzuschüsse und wir wollten zwei Stufen haben: 30 Prozent Zuschüsse, wenn man wirklich Kosten der Unterkunft hinterher herausbekommt – also diese Miete von etwa 5,50 Euro kalt -, und immerhin noch 20 Prozent Zuschuss zumindest für diese Wohnungen, die darüber liegen, für sozial schwache Familien, die nicht wirklich in der staatlichen Beihilfe sind. Das ergibt auch ein differenziertes Bild.

Ein wichtiger Punkt ist außerdem: Wir bräuchten längere Belegungsrechte. Bisher haben wir das Problem, dass diese 15 Jahre schnell ausgelaufen sind. Die Häuser gibt es dann aber noch open end. Man kann in den Wohnungsbau investieren, erhält eine ordentliche Förderung vom Staat und ist nach 15 Jahren fein heraus und kann mit seinen Mieten am Markt machen, was man will.

Ganz wichtig – und darin bestärken wir Sie – ist partizipatives kollektives genossenschaftliches Wohnen, aber auch, die Energieeffizienz ordentlich weiter zu fördern.

Vielen Dank.

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