Rede des Abgeordneten Günther zum GRÜNEN Antrag: „Bestände des bisher in Trebsen bestehenden Bergelagers für historische Baustoffe und des Sächsischen Bauteilarchivs sichern“
64. Sitzung des Sächsischen Landtags, 13. Dezember, TOP 14
– Es gilt das gesprochene Wort –
Sehr geehrter Herr Präsident,
sehr geehrte Damen und Herren,
Es geht in diesem Antrag um das seit 1996 bestehende Bergelager für historische Baustoffe und die seit 2002 bestehende Sammlung des Sächsischen Bauteilarchivs, die in Trebsen lagern im Landkreis Leipzig, in einer alten Papierfabrik an der Mulde.
Dieses Objekt ist bis zum Jahresende zu räumen und es gibt bis heute keine Perspektiven, wo diese Stoffe, die dort liegen, hingelangen sollen. Das heißt, es wird aufgelöst und die Bestände werden, wenn nichts passiert, in alle Winde zerstreut.
Ich bin eigentlich sehr erstaunt, warum wir heute hier über so einen Antrag debattieren müssen, weil das Thema wirklich nicht neu ist. Ich selbst bin mindestens seit dem Frühjahr an dem Thema dran und hatte es für eine Selbstverständlichkeit erachtet, dass sich der Freistaat hier einbringt.
Worüber reden wir überhaupt?
Im gesamten Archiv lagerten ursprünglich – wie viele es heute sind, wissen wir nicht – über 25.000 Bauteile verschiedenster Bauepochen: Fenster, Türen, Dachziegel, Mauerziegel, Treppengeländer, Treppenteile, Bleiglasfenster, Portale, Werksteine, Parkett, Dielen, Säulen, Stuckelemente, Öfen alles, was aus Gebäuden herausgebrochen werden kann; ich will gar nicht weiter aufzählen.
Im Bauteilarchiv lagern so prominente Dinge wie Bleiglasfenster des alten Reichsgerichts in Leipzig, Natursandsteine vom Sockel der Frauenkirche in Dresden, eine Renaissancebalkendecke aus Freiberg, Kristallleuchter und Fenster der Kapelle im Rathaus zu Zwickau, eine Wendeltreppe, gußeiserne Säulen vom alten Bahnhof Dresden-Neustadt, also wirklich nicht Allerweltsdinge. Eine Inventarliste finden Sie übrigens in der Antwort der Staatsregierung auf meine Kleine Anfrage,
Drucksache 6/9244.
Der Träger dieses Archivs ist ein Verein, der Förderverein Rittergut Trebsen. Dieser Verein weiß bis heute nichts von irgendwelchen Bemühungen, wie es mit den Beständen dort weitergehen könnte.
Was dort gelagert ist, ist wirklich das Ergebnis jahrelanger Arbeit. Man hat den Bestand katalogisiert. Vor allem hat man versucht, ihn für die Nachwelt zu erhalten, zu retten. Das Ganze ist übrigens ein gelungenes Beispiel für die Zusammenarbeit zwischen Privaten, Bürgerschaft und Staat. Ein privater Verein hat sich gegründet und hat gemeinsam mit den Denkmalbehörden, dem Landkreis und dem Freistaat zusammengearbeitet. Über Jahre hinweg hat man das Ganze dort aufgebaut. Viele Bestände, die dort lagern, sind das Ergebnis behördlicher Verfügungen, genauer:
von Verwaltungsakten, die der Freistaat Sachsen über seine Denkmalbehörden einmal erlassen hat.
Ich zitiere aus der Antwort auf meine Kleine Anfrage, die ich schon benannt habe. Darin heißt es, „dass die Denkmalschutzbehörden bei denkmalschutzrechtlichen Genehmigungen regelmäßig Auflagen in die Bescheide aufnehmen, die die Denkmaleigentümer verpflichten, im Einzelnen benannte Bauteile vor der Zerstörung oder Beseitigung des Kulturdenkmals zu bergen.“ Und weiter: „Im Laufe der letzten Jahre wurde wurde daher eine Vielzahl an Bauteilen, die zu bergen waren, von den Eigentümern dem Bergelager Trebsen bzw. dem Sächsischen Bauteilearchiv zur
Verfügung gestellt.“ Es ist also nicht allein Ergebnis privaten Zufalls, was dort alles
hingekommen ist.
In dieses Objekt sind auch eine Reihe kaum bezifferbarer öffentlicher Gelder geflossen. Ab den Neunzigerjahren wurde es vor allem mit ABM-Mitteln, also über das Job-Center, aufgebaut. Schon damals ist viel öffentliches Geld geflossen.
Auch Kulturraummittel sind zur Verfügung gestellt worden. Nach dem Hochwasser 2002 hat der Freistaat eine knappe Million Euro Fördermittel für die Hochwasserschadensbeseitigung dort hineingesteckt.
Vor allem hat über die Jahre eine Vielzahl behördlicher angestellter Denkmalpfleger ihre Arbeitskraft dort hineinversenkt. Auch sie wurden die gesamte Zeit über bezahlt.
Das soll sich jetzt alles in nichts auflösen? Ich kann das nicht nachvollziehen.
Im Übrigen möchte ich die Staatsregierung an ihre Antwort auf meine Kleine Anfrage erinnern. Aus dieser Antwort möchte ich jetzt zitieren. Die Staatsregierung hat damals noch festgestellt:
„Die Bestände sind als Zeugnisse vergangener Lebensweisen von kufturhistorischem Interesse. Darüber hinaus dokumentieren sie in besonderer Weise historische Handwerkstechniken und die Entwicklungsstufen von regionaltypischen Bauteilformen (Fenster und Türen). Vor diesem Hintergrund entwickelte sich das Lager, unterstützt durch den Förderverein, auch zu einem Archiv verschiedener Bauteilformen, das zu Anschauungs- und Forschungszwecken Architekten, Ingenieuren, Restauratoren, Denkmalpflegern, Kunsthistorikern und Handwerkern sowie in zunehmendem Maße auch Schülern und Studenten zur Verfügung steht.
Die wertvollen Einzelstücke werden in Übersichten erfasst, die das Landesamt für Denkmalpflege (LfD) in Zusammenarbeit mit dem Förderverein für Handwerk und Denkmalpflege e. V. Trebsen erstellt. Die Übersichten sind nicht abschließend.“
Die Übersichten sind ja in der Anlage genannt.
Ich finde, es ist eine Selbstverständlichkeit, dass der Freistaat, wenn mit so viel Mühe und Engagement so etwas aufgebaut worden ist, sich jetzt darum kümmert, dass es für den Verein — der dort heraus muss, weil das Objekt hochwassergefährdet ist und weil Brandschutzauflagen einzuhalten sind, die der Eigentümer des Objekts einfach nicht umsetzen kann — einen Alternativstandort gibt. Ich weiß, dass es schon über verschiedene Standorte Diskussionen gab. Der Freistaat ist voll mit leer stehenden wertvollen Baudenkmalen, die dringend einer neuen Nutzung zugeführt werden müssen. Damit könnte man viele sinnvolle Aspekte zusammenbringen.
Wenn das alles nicht möglich ist, dann erwarte ich, dass wenigstens das Sächsische Bauteilarchiv durch den Freistaat übernommen wird. Es wundert mich wirklich enorm, wie die Staatsregierung sich verhält, wenn es ernst wird und nicht nur Kleine Anfragen gestellt werden. In ihrer Stellungnahme zu dem Antrag schreibt die Staatsregierung nämlich:
„Bei den Beständen des Bergelagers Trebsen und des Sächsischen Bauteilearchivs handelt es sich gleichwohl um private Sammlungen. Verantwortlich für den Erhalt der gesammelten Denkmalobjekte ist deren Eigentümer bzw. Besitzer …“
Als ob das eine reine Privatangelegenheit wäre! Tatsächlich besteht ein öffentliches Interesse. Dort sind erhebliche öffentliche Mittel hineingeflossen.
Weiter geht‘s:
„Dem Sächsischen Bauteilarchiv kommt danach keine zentrale Funktion für den
Freistaat Sachsen zu.“
Am Ende ihrer Stellungnahme schreibt die Staatsregierung, ein Landesinteresse am Erwerb aller eingelagerten Denkmalfragmente oder an einer Trägerschaft über die Sammlung könne „nicht hergeleitet werden“. Ich verstehe nicht, wieso man es nicht herleiten kann. Das ist aus meiner Sicht ein Offenbarungseid! Hier geht es um unser sächsisches Kulturerbe, um unsere Geschichte, um unsere Identität, um unser kulturelles Gedächtnis, um unser kulturelles Bewusstsein. Letztlich geht es bei diesem Objekt auch um ein gewisses Bekenntnis zum ländlichen Raum, über den wir
sonst so gern reden.
Auch für die möglichen Ausweichobjekte gilt: Das könnten wirklich Investitionen für
den Ort sein.
Es geht auch um die Bewahrung dessen, worin der Staat schon so viel investiert hat und was die Bürger mit ihrem Engagement seit 1996 bzw. 2002 dort aufgebaut haben. Deswegen hoffe ich, dass in diesem Landtag eine andere Stellungnahme zu hören ist, als ich sie — leider — von der Staatsregierung schriftlich bekommen habe, und dass wir die Zustimmung zu diesem Antrag bekommen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen!
Vielleicht einmal kurz vorab: Manchmal wäre es ein Zeichen der Wertschätzung, wenn man einen Antrag wirklich liest. Nirgendwo steht darin, dass der Freistaat Sachsen hier private Dinge übernehmen soll, koste es, was es wolle, dass er das bezahlen soll. Vielmehr ist es eigentlich ein sehr harmloser Antrag, indem man nämlich unter 1. erst einmal einfach nur die Bedeutung dieser Sammlung feststellt. Dagegen kann man eigentlich kaum etwas haben.
Und II. ist es einfach nur ein Berichtsantrag, um zu erfahren, was jetzt unternommen wurde, und unter III. kommen dann einzig und allein die Dinge, die wir hier einmal beschließen sollten, nämlich nur, das man irgendwie sicherstellen soll, dass es dort weitergeht – darin steht nicht, dass der Freistaat das Bergelager übernehmen soll; das habe ich mir auch nie so gedacht – und dass man gucken soll, dass dann auch die Sammlung des Sächsischen Bauteilearchivs, egal, wie es mit
dem Bergelager weitergeht – das ist dann nämlich b) dauerhaft erhalten wird. Also auch die angemahnte Differenzierung findet sich hierin relativ sauber, und erst 2. in III. sagt dann, zumindest provisorisch, bis es ein endgültiges Konzept gibt, danach zu schauen, wie man es weitet erhält. Es ist also eigentlich so harmlos formuliert, differenziert nach all dem, was zum jetzigen Zeitpunkt machbar ist, dass man dem guten Gewissens zustimmen kann und sämtliche Gegenreden da eigentlich nicht so richtig durchstechen.
Was ich, glaube ich, auch ausführlich dargelegt hatte, ist die Tatsache, dass es sich eben nicht um eine rein private Angelegenheit handelt, sondern es sowohl von den Finanzen als auch vom Zustandekommen regelmäßig mit hoheitlichen Verwaltungsakten sowohl für Förderbescheide als auch denkmalpflegerischen Auflagen zu tun hat. Deswegen besteht da durchaus auch eine gewisse öffentliche Verantwortung.
Zu der Frage, was man denn noch leisten kann, wenn es jetzt zum Jahresende aufgelöst wird: Es gibt ganz deutliche Aussagen auch des Vereines, die besagen:
Wenn es ein Signal gäbe, das es irgendwie weitergehen könnte, bestünden auch die Möglichkeiten vor Ort, das noch etwas zu dehnen, wie die Bestände darin sind. Das hat allerdings für sie alles nur Sinn, so etwas zu organisieren, wenn es irgendwie ein Signal gibt, dass das eine Zukunft haben kann. Falls dies das Ergebnis der jetzigen Debatte ist – da höre ich erst einmal mit Freude die Signale von den beiden Koalitionspartnern, von Ihnen, Herr Staatsminister, und von Kollegen Pallas von der SPD – dann hat dieser Antrag hier schon ganz schön etwas genützt.
Gleichwohl kann ich Ihnen sagen, von der Formulierung her steht nichts darin, dem Sie irgendwie widersprochen hätten; vielmehr können Sie dem guten Gewissens zustimmen und damit auch ein Bekenntnis zu diesen Beständen dort und dazu abgeben, dass wir als Freistaat da auch eine gewisse Verantwortung haben, der wir auch einmal gerecht werden sollten.
Ich danke Ihnen.
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