(2016-191) Seit Jahren sinkt die Zahl der Wohnungen mit Mietpreis- und Belegungsbindung in den sächsischen Großstädten besorgniserregend. 2015 war der absolute Tiefpunkt erreicht. Insgesamt gab es nur noch 11.766 sächsischen Sozialwohnungen. Vergleicht man die Entwicklung des Sozialwohnungsbestandes für die drei kreisfreien Städte Chemnitz, Leipzig und Dresden ist die Tendenz eindeutig sinkend: Gab es 2010 noch insgesamt 56.525 Sozialwohnungen, waren es 2015 nur noch 10.815. Der Rückgang trifft Leipzig besonders hart. 2010 gab es in Leipzig noch knapp 45.000 sogenannte Sozialwohnungen, 2013 lag der Bestand bei ca. 21.000. 2015 waren davon 391 Wohnungen übrig. Bei allen anderen Wohnungen waren Mietpreis- und Belegungsbindung ausgelaufen.
„Das ist ein Rückgang um mehr als 99 Prozent verglichen mit dem Bestand im Jahr 2010. Diese Entwicklung ist alarmierend“, fasst Wolfram Günther, baupolitischer Sprecher der GRÜNEN-Landtagsfraktion, die Antworten von Innenminister Markus Ulbig (CDU) auf seine Kleine Anfrage ‚Bestand und Bedarf an Wohnungen mit Mietpreis- und Belegungsbindung (sogenannte Sozialwohnungen)‘ zusammen.
„Wenn Sachsens Staatsregierung nicht dringend gegensteuert, wird sich dieser Trend fortsetzen. Vor allem für Haushalte mit niedrigem Einkommen und Leistungsbezieher sehen wir dringenden Handlungsbedarf. Das Auslaufen der mit der Mietwohnraumförderung der 90er Jahre begründeten Mietpreis- und Belegungsbindungen führt bereits jetzt zu einem Mangel an bezahlbarem Wohnraum in sächsischen Großstädten. Denn nach dem Wegfall der ursprünglich in den Förderbestimmungen festgesetzten Miethöhen gilt die ortsübliche Vergleichsmiete“, erklärt Günther.
„Erste Tendenzen zur Verdrängung einkommensarmer und sozial benachteiligter Menschen aus bestimmten Quartieren sind offensichtlich. Wenn das Problem jetzt nicht angegangen wird, droht aus unserer Sicht langfristig die soziale Segregation“, fürchtet Günther.
„Die Staatsregierung lässt die sächsischen Großstädte mit diesem Problem allein. Dabei hat der Freistaat allein 2014 knapp 60 Millionen Euro Bundesförderung erhalten, die eigentlich für den Sozialen Wohnungsbau vorgesehen war. In Sachsen wird diese allerdings über den ‚Wohnraumförderungsfonds Sachsen‘ für Darlehensprogramme zur Sicherung von Wohneigentum, Mehrgenerationenwohnen, zur Förderung von selbst genutztem Wohneigentum im innerstädtischen Bereich und energetische Gebäudesanierung ausgegeben.“
„Es wird Zeit, dass Innenminister Ulbig endlich aufwacht und aufhört, die immer noch hohen Leerstände in etlichen Klein- und Mittelstädten mit dem zunehmenden Mangel an bezahlbaren Wohnungen in den Großstädten in einen Topf zu werfen. Unterschiedliche Problemlagen brauchen differenzierte Lösungen: Die GRÜNE-Fraktion fordert daher ein Landesprogramm für soziale Wohnraumförderung“, sagt Günther.
Im März 2016 haben CDU und SPD im Landtag einen Antrag der GRÜNEN-Fraktion abgelehnt, nach dem 60 Millionen Euro Bundesmittel im Jahr für ein Förderprogramm zum Bau von Sozialwohnungen verwendet werden sollen.
„Unser Ziel ist es, mit Hilfe eines Landesprogramms wieder mehr Wohnungen zu sozialverträglichen Mieten in Sachsen zu schaffen und mehr Belegungsrechte zu erwerben. Auch in Kommunen mit angespanntem Wohnungsmarkt sollen perspektivisch ausreichend Wohnungen mit Mietpreis- und Belegungsbindung (sogenannte Sozialwohnungen) und Wohnraum für ‚Schwellenhaushalte‘ mit bezahlbaren Mieten zwischen 5 und 6 Euro je Quadratmeter zur Verfügung stehen“, fordert Günther.
Für den heutigen Dienstag, 14. Juni, lädt die GRÜNE-Fraktion zur öffentlichen Debatte „Wohnen in Leipzig ‒ noch bezahlbar?“ mit Dr. Andrej Holm, Stadt- und Regionalsoziologe am Institut für Sozialwissenschaften der Humboldt-Universität zu Berlin ins Westwerk, Karl-Heine-Straße 93b, nach Leipzig ein.
» Zahlen 2010 aus der Kleinen Anfrage von Dietmar Pellmann (Drs. 5/10017)
» GRÜNER Antrag „Programm zur sozialen Wohnungsbauförderung für Sachsen auflegen“ (Drs. 6/4397)
Zwischen 1990 und 2001 wurden in Sachsen Wohnungen mit Mietpreis- und Belegungsrechten (Sozialwohnungen) geschaffen. Je nach Förderprogramm wurden für einen Zeitraum von 12 bis 15 Jahren, bei rollstuhlgerechtem Wohnraum bis zu 25 Jahren, die Miethöhe sowie der Zugang zu den geförderten Wohnungen auf Mieter mit Wohnberechtigungsscheinen begrenzt. Da 2001 auf Beschluss der Staatsregierung die soziale Wohnraumförderung in Sachsen eingestellt wurde, ist die Zahl der Wohnungen mit Mietpreis- und Belegungsrechten dauerhaft rückläufig. Um die landesweite Leerstandsquote zu senken, hat die Staatsregierung viel zu lange auch auf Abrisse in Großstädten gesetzt. Weil in diesen Kommunen, vor allem in Dresden zu wenige Wohnungen neu gebaut, gleichzeitig aber noch bis 2012 Wohnungen mit Fördergeld abgerissen worden sind und Wohnraum infolge der Finanzkrise zum Spekulationsobjekt wurde, geht preiswerter Wohnraum in den sächsischen Großstädten rasant verloren. Trotz regional vorhandenen großen Leerstandes in sächsischen Klein- und Mittelstädten gibt es in den Großstädten nicht mehr genügend bezahlbaren Wohnraum für Familien und ältere Menschen.
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