Gesetzesentwurf Flächenverbrauch − Günther: Die Entwicklung des Flächenfraßes in Sachsen kann so nicht weitergehen!

Redebausteine des Abgeordneten Wolfram Günther zum Gesetzentwurf der GRÜNEN-Fraktion:

„Gesetz zur Begrenzung des Flächenverbrauchs im Freistaat Sachsen (Sächsisches Flächenverbrauchsbegrenzungsgesetz – SächsFläVBG)“ (Drs 6/14409)

78. Sitzung des Sächsischen Landtags, Donnerstag, 6. September, TOP 6

 

– Es gilt das gesprochene Wort –

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen,

wir bringen das Gesetz zur Begrenzung des Flächenverbrauchs im Freistaat Sachsen ein. Es geht darum, dass eine verbindliche Regelung im Landesplanungsgesetz eingeführt wird, die den Flächenfraß hier im Freistaat beendet.

Nach Angaben des Sächsischen Umweltministeriums liegt der Verbrauch im Zeitraum bis 2015 bei 9 ha täglich. Das sind 13 Fußballfelder täglich! Angaben des Leibniz-Institut IÖR hier in Sachsen sprechen im Jahr 2018 von 4,3 ha, also 43.000 qm täglich. Das ist eine Entwicklung, die so nicht weitergehen kann.

Die Siedlungs- und Verkehrsfläche in Sachsen beträgt heute schon 245.000 ha. Das entspricht etwa 13 % der gesamten Landesfläche. Allein in den Jahren 2005 bis 2015 ist eine Zunahme von 30.000 ha zu verzeichnen. Ich denke, es ist jedem klar, dass diese Entwicklung so nicht weitergehen kann. Vor allem hat sich diese Entwicklung vollkommen entkoppelt von der Bevölkerungsentwicklung. Im selben Zeitraum 2005 bis 2015 ist die Bevölkerung um 220.000 Einwohner, also über 5 % zurückgegangen. Seit 1990 ist es gar circa 1 Mio Einwohner – also einem Fünftel der Bevölkerung in diesem Land.

Also immer weniger Leute, aber immer Fläche, die aufgefressen wird durch Siedlungs- und Verkehrsflächen.

Die Folgen sind immens. Sie werden sich nicht wundern, dass für uns GRÜNEN zum einen die Natur und das Artensterben direkt bedeutsam sind. Der Verlust von Lebensraum und die Zerschneidung von Lebensräumen führen zu einem starken Rückgang der Artenvielfalt.

Es hat aber auch Auswirkung auf uns Menschen. Da ist immens Erholungsfläche verlorengegangen. Genauso Flächen für Frischluftentstehung. Diese versiegelten Flächen heizen sich auch auf. Das haben wir jetzt erst im Sommer deutlich zu spüren bekommen. Jede versiegelte Fläche hat zur Hitze maßgeblich mit beigetragen. Die Bodenfunktionen gehen verloren in dieser Größenordnung. Und auch für den Hochwasserschutz hat das Folgen. Denn diese Flächen fehlen schlichtweg für den Rückhalt von Regen in der Fläche. Das Wasser ist deshalb schneller in den Bächen und den Flüssen mit den entsprechenden Folgen. Wir werden dazu sicher wieder eine Debatte haben, wenn ein Hochwasser dagewesen ist. Das heißt: Wir haben hier eine Ursache dafür, warum es hier immer schlimmer wird mit den Hochwasserereignissen.

Noch ein Punkt ist die Landwirtschaft. In den letzten 15 Jahre ging die landwirtschaftliche Nutzfläche um 3 Prozent zurück. Auch das ist doch was – das können wir doch nicht hinnehmen!

Die gesellschaftlichen Kosten und Folgekosten sind also immens. Denken Sie nur nochmal an die Hochwasserereignisse und die Probleme, die manche Landwirtschaftsbetriebe bekommen, wo wir dann wieder stützen müssen.

Das Problem ist natürlich schon lange bekannt. Schon 2002 hat die Bundesregierung die Nationale Nachhaltigkeitsstrategie beschlossen, die vorsieht bis 2020 bundesweit eine Begrenzung von Flächenfraß auf 30 ha pro Tag vorzunehmen.Das ist ja immer noch eine irre Zahl. Der sächsische Anteil daran wäre 1,5 Hektar pro Tag. Sie merken schon, dass wir aktuell weit entfernt davon sind.

Auch die Landesregierung hat entsprechende Beschlüsse gefasst. 2009 wurde festgelegt, wir wollen bis 2020 2 Hektar pro Tag schaffen. Das ist schon mehr als der Anteil nach nationaler Vorgabe, aber immerhin ein Ziel. Auch da sehen Sie: Wir sind meilenweit entfernt.

Es gibt auch Aktivitäten im Freistaat. Auch das muss man anerkennen. Im Landesentwicklungplan haben wir was reingeschrieben. Es gibt auch Förderprogramme, die für die Entsiegelung zu nutzen sind. Aber wir sehen, die Anstrengungen scheinen nicht zu fruchten und das liegt einfach daran, dass es verbindliche Mengensteuerung gibt. Das ist genau die Stelle, wo wir jetzt ansetzen. Wir brauchen eine verbindliche Mengensteuerung, deswegen unser Vorschlag.

Wir sehen auch, dass der Freistaat mit reichlich schlechtem Beispiel in dieser Sache vorangeht. Denn gerade Flächenfraß durch Straßenbau: Da liegt Sachsen laut Aussage der Statistischen Landesämter mit Abstand Platz 1 unter allen Bundesländern. Im aktuellen Landesverkehrsplan sind hunderte Kilometer Autobahn geplant, 130 Ortsumfahrungen – und das alles trotz rückläufiger Bevölkerung! Das sind Entwicklungen, die sich komplett voneinander entkoppelt haben.

Wir gehen verschwenderisch mit unserem Boden um. Immer weniger Leute brauchen immer mehr Fläche. Wir benötigen keinen Flächenfraß, sondern eine kluge Flächensteuerung.

Deshalb sieht unser Gesetzentwurf vor: Wir wollen bis 2020 auf 0 Hektar pro Tag kommen. Und nur um Missverständnissen vorzubeugen: Das ist kein Entzug der kommunalen Planungshoheit. Das Landesplanungsgesetz hat keinerlei Einfluss auf die bestehenden Baugebiete, auch nicht auf die Innenentwicklung. Einschränkung gäbe es nur, wenn Kommunen sich weiter im Außenbereich entwickeln wollen. Auch das ist nicht unmöglich, denn durch Ausgleich an anderer Fläche kann man Landfläche gewinnen. Und zusätzlich dazu, wenn das auf einem Gebiet nicht möglich ist, haben wir in unseren Gesetzentwurf aufgenommen, dass in Sachsen ein Handelssystem von Flächenzertifikaten installiert werden soll. Das ist durchaus möglich. Wir haben ja auch schon Flächensteuerung im Freistaat gebündelt durch unser landeseigenes zentrales Flächenmanagement. Ein Ansatzpunkt ist dafür ist also schon da.

Das Problem, den Flächenfraß zu beenden, ist glaube ich mehr als deutlich. Wir müssen hier handeln. Wir können da nicht sehenden Auges diese Entwicklung weiterlaufen lassen. Ich hoffe, wir werden eine fruchtbringende Diskussion dann auch im weiteren parlamentarischen Betrieb haben – insbesondere in den Ausschüssen. Deswegen beantragen wir die Verweisung auf den Ausschuss für Umwelt und Landwirtschaft.

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