Redebausteine des Abgeordneten Wolfram Günther zum Antrag der GRÜNEN-Fraktion „Programm zur sozialen Wohnungsbauförderung für Sachsen auflegen“ (Drs. 6/4397)
30. Sitzung des Sächsischen Landtags, 16. März 2016, TOP 4
– Es gilt das gesprochene Wort –
Herr Präsident, meine Damen und Herren,
warum sollen wir ein Programm zur sozialen Wohnungsbauförderung für Sachsen auflegen?
Sozialwohnungen für Haushalte mit niedrigem Einkommen und Leistungsbezieher (Hartz IV, Wohngeld) werden knapp. Es gibt immer stärkere Tendenzen zur Verdrängung einkommensschwacher Haushalte aus bestimmten Stadtvierteln. Das führt zu sozialer Entmischung, die jeder Stadtplaner mit allen Kräften verhindern will. Der Mieterbund warnt bereits vor einem Kampf um Sozialwohnungen. Der Bund hat reagiert. Bundesbauministerin Barbara Hendricks will den Bau von 350.000 neuen Wohnungen pro Jahr.
Und Sachsen?
2001 wurde die soziale Wohnraumförderung in Sachsen auf Beschluss der damaligen Staatsregierung eingestellt – Zeiten des Leerstands und des flächendeckenden Bevölkerungsrückgangs. Heute, 2016, hat sich Sachsen stark verändert. Entwicklungen sind vielfältiger und gehen auseinander. Städte, Stadtteile und ländliche Regionen mit stark wachsenden oder zumindest stabilen Bevölkerungszahlen stehen anderen gegenüber, in denen die Einwohnerzahl stark sinkt. Der Blick auf den Durchschnitt war schon 2001 nicht wirklich als Grundlage einer wohnungspolitischen Strategie geeignet, heute funktioniert er überhaupt nicht mehr.
In Sachsen nehmen lokal die Wohnungsmärkte zu, die immer angespannter werden. Der Leerstand in Dresden und Leipzig sinkt stark. In beiden Städten wächst die Bevölkerungszahl erheblich und das kontinuierlich.
Beispiel Dresden: Der Leerstand beträgt nur noch zwei Prozent, das entspricht ca 8.000 Wohnungen (Angaben Mieterverein und Mietgutachten Sachsen von empirica). Dabei werden rund zwei bis drei Prozent Leerstand dauerhaft als Umzugsreserve (Fluktuationsreserve) benötigt.
Die Stadt Dresden spricht davon, dass man etwa zusätzliche 3.000 Wohnungen pro Jahr braucht, allein 700 für Flüchtlinge; Leipzig spricht von 600 Wohnungen, Tendenz steigend.
Leipzig: Von den ca. 20.000 aktuell leerstehenden Wohnungen (7 Prozent Leerstand) ist der größere Teil nicht marktaktiv und nicht wiedervermietbar. Die etwa 10.000 bis 12.000 leerstehenden marktaktiven Wohnungen (3-4 Prozent) sind sehr ungleichmäßig über die Stadtteile sowie Baualter- und Ausstattungsklassen verteilt.
Folge 1: Es fehlen insgesamt Wohnungen: Dabei sind sie ein Standortfaktor, gerade für Wirtschaft und Fachkräfte.
Folge 2: Soziale Probleme. Marktwirtschaft – der Preis ergibt sich aufgrund von Angebot und Nachfrage. Das Ergebnis: Mieten steigen in Dresden und Leipzig, aber auch in einigen Klein- und Mittelstädten parallel stark an.
Die durchschnittlichen Preise für die Kaltmiete bei Neuvermietungen liegen in Dresden aktuell laut Immowelt bei 8 Euro/Quadratmeter. Laut Empirica (2014) ergibt sich bei Neubezug einer Dresdener Wohnung ein durchschnittlicher Mietpreisanstieg gegenüber dem Vornutzer von mindestens 20 Prozent.
In Leipzig liegt die Kaltmiete bei durchschnittlich rund 6,60 Euro/Quadratmeter.
in Kleinstädten in Ballungsraumnähe wie Radebeul liegt die Kaltmiete bei bei 7,75 Euro/Quadratmeter, in Radeburg bei 6,50 Euro Quadratmeter, in Heidenau oder Markkleeberg bei 6,10 Euro/ Quadratmeter.
Bei der Kalkulation für Neubauten spricht die organisierte Wohnungswirtschaft von mindestens 10 Euro/Quadratmeter. Es geht auch preiswerter, aber die Größenordnung ist interessant.
Wer braucht preiswerten Wohnraum? Jeder 5. bis 7. Einwohner. Leistungsempfänger (Hartz-IV, Wohngeld-Empfänger) bekommen kaum noch Wohnraum, weil die Preise durch die Kosten der Unterkunft (KdU) nicht abgedeckt werden, das gilt auch für kleinere Städte. Miethöhen im Bereich des jeweiligen KdU-Satzes der Kommunen (Kosten für Unterkunft und Heizung ca. 5 bis 5,50 Euro/Quadratmeter).
Aber auch arbeitende Menschen mit niedrigen Einkommen haben auf dem Wohnungsmarkt zunehmend weniger Chancen Wohnungen anzumieten, die über dem KdU Satz liegen. Sogenannte Schwellenhaushalte können nur um die 6 bis 7 Euro/Quadratmeter für die Kaltmiete aufbringen.
Die Wohnungswirtschaft sagt ganz klar, dass diese Mietpreise nur durch Zuschüsse zu schaffen sind. Benötigt werden neue Wohnungen durch Sanierung, Neubauten plus zusätzliche Belegungsrechte in Bestandswohnungen mit Bindungsfristen, jeweils zeitlich begrenzt für einige Jahre zwischen i.d.R. 12 bis 15 Jahre. Aber die Zahl der Wohnungen mit Mietpreis- und Belegungsbindung (sog. Sozialwohnungen) in sächsischen Großstädten ist stark rückläufig.
2010 gab es in den drei Großstädten Chemnitz, Leipzig und Dresden insgesamt noch 56.525 Sozialwohnungen.
2014 waren es nur noch 31.150 (ca 10.000 DD, 20.000 Lpz) – läuft aus Richtung Null. Dabei haben Leipzig und Dresden jeweils mehrere 10.000 Bedarfsgemeinschaften.
Die Abnahme von Sozialwohnungen betrifft auch Mittel- und Kleinstädte sowie ländliche Gemeinden in Sachsen.
Jetzt liegt es am Freistaat das Geld auch zielgerichtet einzusetzen.
Unser Antrag ist die erste Möglichkeit das Thema inhaltlich im Landtag zu diskutieren. Wir sind gespannt auf Änderungsvorschläge und bereit das Thema konstruktiv voranzubringen.
Vielen Dank!
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