Redebausteine des Abgeordneten Wolfram Günther zur Aktuellen Debatte der GRÜNEN-Fraktion:
„Ohne starke Denkmalpflege bröckelt Sachsens Denkmalschutz“
33. Sitzung des 6. Sächsischen Landtags, 21. April 2016, TOP 1
– Es gilt das gesprochene Wort –
Sehr geehrte Frau Präsidentin,
liebe Kolleginnen und Kollegen
ohne starke Denkmalpflege bröckelt Sachsens Denkmalschutz – das klingt alarmierend und das ist genauso gemeint. Wir reden dieser Tage sehr oft über das kulturelle Fundament unserer Gesellschaft. Das hat Konjunktur. Das baukulturelle Fundament ist dabei eine ganz wesentliche Komponente, und zwar in erster Linie für unsere Identität. Unsere sächsische Identität als Teilerzählung einer europäischen Kulturgeschichte hat eine sehr hohe Bedeutung – ich habe jetzt nicht die Zeit, das vollumfänglich darzulegen – für Tourismus, Wirtschaftsförderung lokal und regional, für integrierte Stadtentwicklung,
Dorferneuerung, überall. Ich denke, wir werden nachher von Staatsminister Ulbig noch viel über die Erfolge hören. Dies muss ich jetzt nicht im Einzelnen ausführen.
Ja, wir haben seit 1990 viel erreicht. Aber wir sind jetzt an einem Punkt angekommen, an dem es offensichtlich mit all den Erfolgen, die wir erreicht haben, nicht so richtig weitergeht.
Denkmalschutz braucht vor allem drei Dinge: Es braucht die Objekte. Es braucht die Menschen, die sich darum kümmern. Und es braucht die Mittel, um sich darum zu kümmern. An allen drei Stellen bröckelt es erheblich.
Seit dem Jahr 2000 haben wir knapp 5.000 Baudenkmale in Sachsen verloren und in den Jahren zuvor auch einige. Es gibt ganze Denkmalgruppen, die akut gefährdet sind. Ob es technische Denkmale, Bauernhöfe, Wohn- oder Geschäftshäuser, die in unseren Klein- und Mittelstädten teilweise bis an die Marktplätze heranreichen, oder Herrenhäuser sind – überall bröckelt es zunehmend.
Wir stehen jetzt davor, dass wir in den nächsten Jahren einen Geschichtsverlust erleiden werden, der manchem vielleicht noch gar nicht so richtig klar ist.
Noch ein Wort dazu: Im Denkmalschutz gilt immer die Maxime: Was weg ist, ist weg, und zwar für immer. Das, was wir dort verlieren, können wir nie wieder zurückholen.
Wer kümmert sich denn um diese Baudenkmale? Ich komme zum Landesamt. Im Jahr 1994 hatten wir dort 70 Personalstellen. Im Jahr 2000 waren es noch 62, heute sind es 48. Aufgrund des hohen Durchschnittsalters – sehr viele Kollegen stehen kurz vor der Pensionierung – werden wir in sechs Jahren nur noch 29 Mitarbeiter dort haben; denn jede Stelle, die altersbedingt frei wird, soll nach jetzigem Stand nicht neu besetzt werden dürfen. Es ist schade, dass der Kollege Unland jetzt nicht da ist; denn an dieser Stelle hat ja auch der Finanzminister mitzusprechen und das muss unbedingt in die Haushaltsverhandlungen hinein. Zur Erinnerung: Zu DDR-Zeiten waren es immerhin noch 37.
Wollen wir wirklich so zurückfallen? Das Landesamt kann dann seine Arbeit schlichtweg nicht mehr erledigen. Genauso sieht es auch in den unteren Denkmalbehörden aus. Ich werde Sie jetzt nicht mit weiteren Zahlen traktieren. Sie kommen gar nicht nach mit ihrer Bearbeitung.
In der Landesdirektion ist es auch nicht anders. Viele von den formal als Denkmalpfleger dort Beschäftigten beschäftigen sich eigentlich mit steuerlichen Bescheinigungen. Wer kümmert sich noch um die Baudenkmale?
Es geht – neben den Behörden – vor allem um Sachverstand bei der Planung. Nehmen wir zum Beispiel die Weiterbildung für Architekten, Bauingenieure. Es gab einen Studiengang bei Prof. Meyer an der TU Dresden – eingestellt. Es gab das Weiterbildungszentrum für Denkmalpflege und Altbauinstandsetzung in der Dresdner Villa Salzburg – geschlossen. Wir hatten
Aufbaustudiengänge Denkmalpflege/Stationierung unter Prof. Sulzer in Görlitz – geschlossen. Bis zum letzten Jahr hatten wir für die Handwerker ein Zentrum in
Trebsen – geschlossen. In zehn Tagen, am 30.04., schließt auch das letzte Weiterbildungszentrum in Görlitz. Dort hat man seit Bestehen 430 geprüfte Restauratoren, geprüfte Fachhandwerker der Berufszweige Maurer, Maler, Stuckateur, Steinmetz, Tischler und Zimmerer ausgebildet. Das alles hört jetzt schlagartig auf.
Sie sehen, es gibt niemanden mehr, weder behördlicherseits, der sich um die Denkmale kümmern kann, noch ist der Sachverstand bei den Planern vorhanden.
Damit kommen wir genau zu diesem Problem: Wenn Denkmalpflege funktionieren soll, dann braucht sie Menschen, die proaktiv schon in der Planungsphase den Gedanken des Denkmalschutzes einfließen lassen. Wenn das nicht funktioniert, dann haben wir diese Situation: Die Denkmalpflege kommt als Letzte ins Spiel, wenn irgendwo eine Planung fertig ist, sei es der geplante Abbruch oder irgendein Umbau, der sich nicht um die denkmalpflegerischen Eigenschaften kümmert. Dann ist die Denkmalpflege auf einmal der Störfaktor und muss sich Angriffen ausgesetzt sehen. Dann werden Rufe laut, die wir jetzt auch hören: Der Denkmalpflege müssen wir unbedingt die Krallen stutzen. Nein, sie ist gar nicht arbeitsfähig und kann ihren Aufgaben nicht mehr nachkommen.
Zu einem Punkt wollte ich noch kommen, nach den Objekten und den Menschen, die sich darum kümmern: Das ist die Mittelausstattung, die
Förderung.
Wenn Denkmalpflege dafür da ist, einem Denkmaleigentümer Vorschriften zu machen, dann haben wir den schönen Zweiklang des Forderns und des Förderns eingeführt. Häufig bleibt vom Fördern aber nicht viel übrig. Für Denkmaleigentümer und für Kommunen ist es oft relativ leicht, an Fördermittel im Umgang mit Baudenkmalen zu kommen. Leider aber nicht in dem Umfang, um in die Denkmale zu investieren und sie zu retten, sondern um sie einfach abzureißen, etwa Brachflächenförderung und manche Dinge, die für die Innenentwicklung gedacht sind. Das führt oft dazu, dass man schon in der Planung sagt, man guckt lieber in diese Richtung. Die Förderung für Abbrüche geht hoch bis auf 90 Prozent‚ was es sehr attraktiv macht.
Wir müssen also nicht nur das Personal in den Denkmalbehörden halten und in einen Stand versetzen, Denkmaleigentümer beraten zu können. Sondern wir müssen ihnen auch die ausreichenden Mittel an die Hand geben, damit sie den Denkmaleigentümern etwas anbieten können.
Es gibt einen schönen Satz, er trifft auf die Denkmalpflege zu: Tradition ist die Bewahrung des Feuers und nicht der Asche. Dabei sind wir bei dem Thema, dass der beste Denkmalpfleger natürlich die Nutzung ist. Wir müssen gemeinsam daran arbeiten, dass die Denkmalpflege gemeinsam mit den Denkmaleigentümern in einen Stand versetzt wird, frühzeitig genug bei Leerstand oder wenn ein Denkmaleigentümer etwas mit seinem Objekt vor hat, eine Planung auf die Beine zu stellen, die den Gedanken des Denkmalschutzes ordentlich integriert und ihm für all das, was für den Denkmaleigentümer tatsächlich eine Last darstellt und über das hinausgeht, was schon mit dem Eigentumsbegriff zusammenhängt – Eigentum verpflichtet – einen finanziellen Anreiz gibt.
Das setzt voraus, dass wir die Mitarbeiter in den Behörden haben, das setzt voraus, dass wir im Planungsprozess Leute mit Sachverstand haben, das setzt voraus, dass wir die Mittel zur Verfügung haben, um sie ausreichen zu können, und das setzt auch voraus, dass wir nicht Mittel anbieten, die genau das Gegenteil bewirken, nämlich den Abbruch eines Baudenkmals attraktiv machen.
Dann können Sie sicher sein, dass die behördliche Denkmalpflege nicht allein dasteht, sondern es gibt eine ganze Menge an Leuten aus der Zivilgesellschaft, die sich engagieren, und eine Menge an Denkmaleigentümern, die bereit sind, viel zu machen.
Aber wenn diese zur Behörde gehen und fragen, was ihnen angeboten werden kann, und sie dort gesagt bekommen, wir haben weder Zeit, um dich zu beraten, noch können wir dir irgendwie Geld mitgeben, dann ist das genau die falsche Botschaft. Das ist nicht in jedem Fall so, aber ich bin seit vielen Jahren in der Denkmalpflege aktiv und weiß, dass es in viel zu vielen Fällen so ist.
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