zum Waldzustandsbericht: Der sächsische Wald ist im Dauerstress

Redebeitrag des Abgeordneten Wolfram Günther zum Waldzustandsbericht 2014 (Drs. 6/1790)
15. Sitzung des Sächsischen Landtags, 11. Juni 2015, TOP 10

– Es gilt das gesprochene Wort –
Sehr geehrter Herr Präsident,
liebe Kolleginnen und Kollegen,

der jährliche Waldzustandsbericht steht auf der Tagesordnung und jedes Jahr bleibt beim Lesen des Berichts zu konstatieren: Der sächsische Wald ist im Dauerstress. Sein Gesundheitszustand hat sich seit Jahren auf einem niedrigen Niveau eingependelt.
Laut Waldzustandsbericht sind nur 39 Prozent der sächsischen Waldbäume als gesund einzustufen, 46 Prozent werden als schwach geschädigt (Schadstufe 1) und 15 Prozent der Waldfläche als deutlich geschädigt (Schadstufe 2-4) bewertet. Es gibt also keinen Grund zur Entwarnung. In Sachsen dominieren noch immer meist gleichaltrige verhältnismäßig artenarme Monokulturen von Nadelbäumen. Auf der Hälfte der rund 200.000 Hektar des Staatswaldes wachsen Fichten außerhalb ihres natürlichen Verbreitungsgebietes. Damit sind wir immer noch weit von naturnahen Wäldern mit entsprechender Artenzusammensetzung entfernt.

Gerade die dominierenden Fichten sind als Flachwurzler viel anfälliger für Trockenheit, Stürme und Schadinsektenbefall. Ziel muss es sein, dass konsequent die Fichtenbestände, die ohne menschliche Eingriffe bestandsbildend erst ab 800 Höhenmetern vorkommen würden, durch größere Anteile von Rotbuche und anderen Laubbäumen wie Hainbuche und Berg-Ahorn in den Mittelgebirgslagen zu ersetzen. Im Hügelland müsste sich die Zusammensetzung der Baumarten gemäß der potenziell natürlichen Vegetation zu mehr Traubeneichen und Hainbuchen verschieben; im Tiefland sollte der Anteil an Rotbuchen und Eichenarten bedeutend höher sein.

Laubbäume nehmen aktuell allerdings lediglich 32 Prozent der Waldfläche des Freistaates Sachsen ein. Der Flächenanteil der natürlicherweise vorkommenden Hauptbaumarten Eiche und Buche beträgt zusammen sogar nur 13 Prozent. Das ist viel zu wenig.
Mit 35 Prozent bzw. 29 Prozent „deutlichen Schäden“ (Schadstufen 2 – 4) geht es allerdings ausgerechnet den dringend benötigten Laubbaumarten Eichen und Buchen in Sachsen besonders  2015 schlecht.

Dafür hauptverantwortlich sind die Einträge von Stickstoffverbindungen. Diese zentrale Erkenntnis ist nicht neu: Die Einträge von Ammoniumstickstoff liegen in Sachsen unverändert über der kritischen Belastungsgrenze und zwar großflächig. Die Stickstoffeinträge haben sich in den letzten zehn Jahren nur wenig verändert, so dass die sogenannten kritischen Belastungsraten für eutrophierenden Stickstoff stets überschritten sind.

Die beiden größten Verschmutzer der Luft mit Stickstoffverbindungen sind dabei die Landwirtschaft und der Autoverkehr. Die Landwirtschaft ist mit ihren vor allem aus der Tierproduktion stammenden Ammoniakausgasungen aus Gülle und Stallmist für einen Teil der Stickstoff-Schadgase verantwortlich. Beim Straßenverkehr trägt vor allem der Schwerlastverkehr zu einer Stickoxidbelastung aus den Auspuffrohren bei.

Meine Damen und Herren, der sächsische Wald der Zukunft muss der naturnahe, standortgerechte Laub- und Mischwald sein, in dem einheimische Arten wachsen.
Wenn die Staatsregierung dieses Ziel erreichen will, dann müsste sie allerdings beim Waldumbau entschlossener handeln.

Hier gibt es im Sachsenforst ganz unterschiedliche Aktivitäten. Ich hatte kürzlich die Freude, mir den sächsischen Vorbildforstbezirk in Sachen naturgemäßer Waldwirtschaft in Eibenstock anzuschauen. Es war wunderbar dort die Waldverjüngung mit der standorttypischen Weiß-Tanne und Laubbaumarten vor Ort sehen zu können. Und das Ganze vollständig ohne die teuren Umzäunungen. Eigentlich sollte dies überall im sächsischen Staatsforst so sein. Auch im Waldgesetz finden sich im Wesentlichen in den §§ 16, 18 und 24 ökologisch orientierte Vorgaben. Da steht vor allem, dass der Wald so zu bewirtschaften ist, dass er gesund, stabil und leistungsfähig wird oder bleibt und vor Schäden jeder Art zu bewahren ist (§16) und im § 24 steht vor allem, dass die Wildbestände auf ein Maß zu reduzieren sind, das die natürliche Verjüngung ermöglicht. Davon sind wir aber in vielen sächsischen Revieren weit entfernt.

Nach dem deutschen Jagdrecht ist die Nutzung des Wildes eine Nebennutzung, die die hauptsächliche waldbauliche Nutzung des Waldes nicht beeinträchtigen darf. Wälder schützen uns vor Hochwasser und Erosion. Wälder reinigen Luft und Wasser, sind CO2-Speicher und dienen den Menschen zur Erholung. Der nachhaltig produzierte Rohstoff Holz wird von der Gesellschaft in steigendem Maße nachgefragt. Gemischte, strukturreiche und damit klimawandelstabile Wälder können die vielfältigen Schutz- und Nutzfunktionen langfristig am besten erfüllen. Zu einem naturnahen Waldbau, der auf gemischte und stabile Waldbestände mit standortgemäßen Baumarten setzt, besteht keine Alternative. Um dieses Ziel bei allen unseren Wäldern zu erreichen, ist die Jagd von entscheidender Bedeutung. Sie muss gewährleisten, dass eine standortgemäße Verjüngung im Wesentlichen ohne Schutzmaßnahmen wie z.B. Zäune aufwachsen kann. Denn das Wild verbeißt junge Bäume. Lebt zu viel davon in unserem Wald, kann sich dieser nicht mehr verjüngen.

Langfristiges Ziel beim Waldumbau muss es sein, dass alle heimischen Baumarten ohne aufwendige Schutzmaßnahmen aufwachsen können. Die Wildbestände insbesondere des Schalenwildes sind derzeit für einen Waldumbau ohne kostenintensiven Zaunbau in weiten Teilen Sachsens zu hoch. Erhöhte Schalenwildbestände erschweren bzw. verhindern die Entwicklung der angestrebten Mischwälder durch selektiven Verbiss und Vitalitätsverlust durch Schälen.

Durch die Anpassung der Schalenwildbestände können Investitionen in den Waldumbau, Arten- und Strukturvielfalt gesichert werden.
Aus überhöhten Schalenwildbeständen ergeben sich sowohl für die Diversität von Waldökosystemen als auch für deren naturnahe wirtschaftliche Nutzung erhebliche ökologische und ökonomische Risiken.

Eines sollte klar sein: die immer noch weitverbreitete Tradition Rotwild im Winter extra zu füttern, ist absolut kontraproduktiv. Es führt dazu, dass Waldumbau nur mit teuren Zäunen vorangebracht werden kann und mit einem so hohen Aufwand, dass das Ziel im forstlichen Rahmenplan bis 2050, in dem für Sachsen 1500 ha Waldumbau jährlich festgeschrieben wurden, nicht zu erreichen ist.
Und die Bedingungen für Waldumbau werden im Zuge des Klimawandels nicht besser.

Alles was jetzt nicht, möglichst unter dem schützenden Schirm des Altbaumbestandes, an Waldumbaumaßnahmen realisiert wird, muss in Zukunft unter wesentlich schlechteren Bedingungen (Freiflächen durch Sturmschäden) und mit höheren Kosten (mehrmalige Kulturpflege, Jungwuchspflege usw.) realisiert werden.

Auf einen weiteren Aspekt möchte ich noch kurz Ihre Aufmerksamkeit lenken:
Im § 24 (3) des Waldgesetzes wird explizit auf eine artenreiche und gestaffelte Waldrandgestaltung hingewiesen. In letzter Zeit muss ich allerdings beobachten, dass zunehmend industriell agierende Landwirtschaftsbetriebe immer näher an den Wald wirtschaften und es so zu massiven Wurzelschädigungen kommt. Hier sehe ich in Sachsen ein großes Kontrolldefizit.

Naturschutz und Erhalt der Biodiversität müssen im sächsischen Wald eine viel größere Rolle als bisher spielen. Wenn wir das Ökosystem Wald auch in Zeiten des Klimawandels erhalten wollen – und das wird schwer genug –, dann müssten wir der Regenerationsfähigkeit und Stabilität des Waldes wesentlich mehr Raum einräumen. Aber auch hier zeigt sich wieder das eingeschränkte Naturschutzverständnis der sächsischen Forstpolitik. Prozessschutz wird in der „Waldstrategie 2050“ nur auf wenige große Schutzgebiete sowie die verschwindend geringen Naturwaldzellen begrenzt. Wichtig wäre aber ein klares Prozentziel, wie viel Totalreservatsschutz garantiert werden soll.

Meine Damen und Herren, natürlich würde es sinnvoll sein, den Waldzustandsbericht immer über einen größeren Zeitraum von zwei Jahren zusammenzufassen.
Was aber noch viel mehr Sinn ergeben würde, wäre das jährliche Vorstellungsritual zu durchbrechen und endlich deutlich die Verursacher der Waldschäden zu benennen und eine nachhaltigkeitsorientierte Verkehrs- und Landwirtschaftspolitik zu beginnen.

 

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