BERICHT ZUR VERANSTALTUNG: Waldfrieden? Abholzungen im Auwald im Spannungsfeld zwischen Umweltschutz und Naherholung

Bericht von der Seite der GRÜNEN Stadtratsfraktion Leipzig
(http://www.gruene-fraktion-leipzig.de/index.php/termin/events/bericht-zur-veranstaltung-waldfrieden-abholzungen-im-auwald-im-spannungsfeld-zwischen-umweltschutz-und-naherholung.html)

Foto: Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Leipzig

Veranstaltung Waldfrieden? Abholzungen im Auwald im Spannungsfeld zwischen Umweltschutz und Naherholung

Termin 22. März 2017, 19 Uhr, Gemeindesaal Bethanienkirche, Stieglitzstraße 42

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Foto: Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Leipzig

Diese Veranstaltung war fachlich anspruchsvoll und sehr informativ. Es kann schon zu Beginn des Berichts gesagt werden, dass seitens der Podiumsgäste und des Publikums durch Input, Nachfragen und Aussagen das Bekenntnis zu einem gesunden, ökologisch vielfältigen Auwald gestärkt worden ist.

 

Zu Beginn begrüßte Norman Volger, umweltpolitischer Sprecher und Vorsitzender der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Stadtrat Leipzig die Gäste und stellte die Podiumsgäste vor:

Rüdiger Dittmar – Amtsleiter Amt für Stadtgrün und Gewässer
Andreas Sickert – Abteilungsleiter Stadtforsten
Anja Werner – umweltpolitische Sprecherin im Ökolöwe Umweltbund
Wolfram Günther, Mitglied des Landtages – umweltpolitischer Sprecher der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen

Zum Anlass der Veranstaltung führte N. Volger aus: Im Rahmen des Waldentwicklungskonzeptes und zugleich wegen des Eschentriebsterbens wurden beispielsweise in der „Nonne“ in Schleußig, im Stötteritzer Wäldchen und im Rosental außergewöhnlich große Bestände flächig abgeholzt, sodass der Wald teilweise wie ausgeräumt wirkt. Ziel für den Abend sei, die Waldentwicklung und Maßnahmen verständlich und transparent zu machen und etwas zum Waldentwicklungskonzept, dessen Zeitplan und zu den forstfachlichen Einschätzungen zu erfahren. Es sollen die ökologischen Auswirkungen der Maßnahmen betrachtet werden. Zwischen den Beiträgen der Podiumsgäste waren Nachfragen möglich, die Antworten sind hier mit nachzulesen.

Herr Sickert führte in die forstfachlichen Grundsätze der Arbeit des Stadtforstes allgemein und im Winter 2016/17 ein:

  • Rechtliche Grundlagen der Arbeit des Stadtforstes sind u.a. das Forsteinrichtungswerk, der Managementplan und der jährliche Forstwirtschaftsplan. Das Forsteinrichtungswerk / Waldentwicklungskonzept wurde dem Stadtrat von der Verwaltung zuletzt 2015 für die Jahre 2014 bis 2023 vorgelegt. Der Stadtrat hat dem Stadtforst einstimmig den Auftrag zur Fortsetzung dieses Planes bestätigt. Der letzte Beschluss baut auf Beschlüssen von 1997 und 2005 auf.
  • Ökologie und Erholung stehen beim Stadtwald in Leipzig über dem wirtschaftlichen Ertrag. Hier wird versucht einen maximalen Interessenausgleich zu erreichen.
  • Der Leipziger Auwald steht unter Europäischem Naturschutz als Hartholzaue.
  • Ziel ist die Ansiedlung auentypischer Baumarten, die eine Wiedervernässung durch natürliche Überschwemmungen vertragen. So vertragen Eschen und Ahorn keine Dauernässe im Wurzelbereich. Stieleichen, Ulmen und Hainbuchen sind vorteilhaft und werden in der Hartholzaue nachgepflanzt da sie ein halbes Jahr im Wasser stehen können, sehr viel Licht durch die Baumkrone hindurch zum Waldboden scheint und somit auch andere Arten zugleich gute Wachstumsbedingungen vorfinden.
  • Ein sich selbst überlassener Wald bedeutet einen Verlust von Artenvielfalt. Im nördlichen Auwald und im Connewitzer Holz gibt es insgesamt dennoch 110 ha Wald, der sich überlassen wird.
  • Große freigeschlagene Waldstücke werden Femel genannt. Diese Flächen sind notwendig für die Aufzucht von Eichen, die sehr langsam wachsen. Hier werden Konkurrenzpflanzen verdrängt. Zugleich wachsen die alten Bestände am Rand des Femels sehr intensiv, da sie viel Licht zur Verfügung haben.
  • Eschen werden jetzt bevorzugt geschlagen, da sie zur Entwicklung des Auwaldes nicht geeignet sind, da sie ihr biologisches Baumalter (150 Jahre) erreicht haben und sie durch das Falsche weiße Stengelbecherchen befallen sind. Der Pilz, für den es kein Gegenmittel gibt, befällt die Blätter im Kronenbereich und zerstört langfristig den gesamten Baum. Die Fällungen in den Gebieten im Winter 2016/17 haben allerdings nur den im Plan stehenden Eschenanteil aus dem Bestand genommen, der noch nicht unbedingt am Holz erkennbar krank ist. Dadurch konnte das Holz auch noch verkauft werden.
  • Es ist geplant in Zukunft 40 % Eichen im Oberstand zu haben. Das Projekt ist sehr langfristig angelegt, in 200 Jahren kann das Ergebnis letztlich geprüft werden. Dazu wird weiterhin jedes Jahr 1 ha Fläche zu Femellöchern ausgebaut werden.
  • Die Fällungen stehen im Gleichgewicht zu Nachpflanzungen.
  • Die Stadt hat im Waldgebiet Nonne zum 28.02.2017 auf einer Fläche von 25 Hektar 924 Festmeter – davon 853 Festmeter Esche (92%) entnommen.

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    Foto: Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Leipzig

Frau Werner führt aus:

  • Der Auwald sei wie ein krankes Kind, da der Auwald seit langem seiner natürlichen Bedingungen beraubt ist. Es fehle durch die Deichbauten und den niedrigen Grundwasserspiegel an notwendigen Bedingungen für die Hartholzaue. Sie bemängelt das fehlende Gesamtkonzept für die Wiedervernässung des Auwaldes.
  • Die wird in einem kleinen Flächenteil des Auwaldes seit langem im Projekt „Lebendige Luppe“ ausprobiert – allerdings gehe es hier zu langsam voran und Auswirkungen auf den gesamten Auwald lassen auch auf sich warten. Hier drängt der Ökolöwe auf das Tempo.

 

 

Herr Günther dazu:

  • Der Leipziger Kommunalwald ist in ökologischer Hinsicht sehr gut aufgestellt. Er vergleicht das Projekt Leipziger Auwald mit anderen Waldumbauprojekten in Sachsen. Er bezeichnet den Auwald als Europäisches Tafelsilber. Hier treffen sehr viele Nutzungsansprüche aufeinander. Der Wald dient nach Forstgesetz der Forstwirtschaft, der Erholung, erfüllt Biotopkriterien und ist ein ökologisches Reservoir. Der Wald hat insgesamt einen hohen naturschutzfachlichen Wert.
  • Der Freistaat sei schuld daran, dass es keine Gewässerkonzepte geben, anders als bspw. das Land Sachsen-Anhalt, welches für die Elster dieses Konzept ab der Landesgrenze habe.
  • Der heutige Auwald ist das Ergebnis des Auftrags der Forstwirtschaft von vor 150 Jahren.
  • Die heutige Aufgabe ist die ökologische Aufwertung des Bestandes und der Flächen.
  • Zur Verkehrssicherungspflicht der Stadt (oder anderer Eigentümer) im Wald schreibt das Gesetz vor, dass regelmäßige Gefährdungsprüfungen und anschließende Maßnahmen durchgeführt und nachgewiesen werden müssen.
  • Auch der Klimawandel macht den Waldumbau notwendig, da besondere Wetterereignisse zunehmen werden.

Hr. Dittmar ergänzt:

  • Das Betreten des Waldes erfolgt zum Zweck der Erholung auf eigene Gefahr.
  • Die „Nonne“ wird vom Stadtforst als besonders sensibles Gebiet innerhalb des Auwaldes wahrgenommen, da hier die Erholungsfunktion als vorrangig erkannt ist.
  • Er sieht die Notwendigkeit sehr guter Kommunikation und Aufklärung zum Tun des Stadtforstes. Deswegen wird das Amt für Stadtgrün und Gewässer jetzt an Ort und Stelle Informationstafeln aufstellen (Beschluss des Stadtrats nach Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen 2016)
  • Zur wirtschaftlichen Bedeutung der Forstarbeiten führt er aus, dass in Leipzig der Stadtrat nie eine wirtschaftliche Forderung an den Stadtforst formuliert hat. Daher arbeitet der Stadtforst zur Deckung seiner Ausgaben.
  • Allgemein steigt der Anteil öffentlichen Grüns in Leipzig. Es werden weitere Flächen Waldbestand dazu entwickelt, wie es im Forsteinrichtungswerk geplant ist. Im Jahr 2016 wurden 30 ha in zusammenhängender Fläche aufgeforstet.

Die Diskussionsbeiträge aus dem Publikum ließen die große Verbundenheit mit dem Auwald und anfangs die Kritik an den Maßnahmen erkennen.

>> Bezweifelt wurde, dass die gefällten Bäume tatsächlich alles Eschen und keine Eichen seien. Dies führte Hr. Sickert auf die Ähnlichkeit der Baumarten in der Rinde zurück. 80 % der gefällten Bäume seien Eschen.

>> Es wurde nachgefragt, wieso das Geäst liegen oder tote Bäume stehen blieben, was ästhetisch weniger schön sei und ggf. auch gefährlich sein könnte. Dies wurde damit begründet, dass vom Geäst der Eschen keine Ansteckung weiterer Bäume ausgeht und diese anderen Hinterlassenschaften für Käfer und Insekten und zugleich zum Schutz von Jungbäumen nötig sind.

>> Es wurde beispielsweise gefragt, ob die Malaria wieder zurückkommen könne, wenn der Wald im Wasser stehen würde. Dazu wurde gesagt, dass malariaführende Mücken kein Wasser für ihre Ausbreitung brauchen. Der Auwald soll allerdings zukünftig von Wasser durchströmt werden.

>> Es wurde darauf hingewiesen, dass Gebüsch bei Waldarbeiten geschont werden müsse, da hier auch viele Vögel brüten.

>> Es wurde nachgefragt, ob es bei den beauftragten Firmen die im Wald arbeiten auch „schwarze Schafe“ gegeben habe und welche Konsequenzen dies nach sich ziehen würde. Dazu wurde gesagt, dass die Stadt solche Firmen nicht wieder beauftragt.

>> Nachgefragt wurde auch die Auswirkung der schweren Technik auf den Waldboden, der sehr verdichtet würde. Dazu wurde gesagt, dass der lehmige Untergrund nicht gefährdet sei besonders verdichtet zu werden, anders sei das z. B. bei sandigem Untergrund. Der Waldboden und die Flora und Fauna werde durch Niederdruckreifen schonend befahren. Es werde in der Einsatzplanung versucht, nur wenige Rückegassen zu benötigen.

>> Die drastischen Einschnitte in Leutzsch wurden beklagt. Dazu berichtete eine Besucherin aus der Erfahrung von zurückliegenden Jahren aus dem Rosental, wo die dortigen Femellöcher erstaunlicherweise nach sehr kurzer Zeit wieder sehr gesund und grün sind.
tl_files/Gruene_Fraktion_Leipzig/p/Fraktionsbilder 2017/DSC01169.JPGAm Ende dankte N. Volger allen Beteiligten für die engagierten Beiträge.

Er fasste zusammen, dass der Waldumbau ein sehr langfristiges Projekt ist, welches ökologischen Grundsätzen gerecht wird. Die heute notwendigen Maßnahmen müssen besser als bisher, vorher und mittels öffentlicher Veranstaltungen vor Ort durch die Stadtverwaltung kommuniziert werden. Es gibt einen hohen Informationsbedarf in der Bevölkerung, auf den der Stadtforst sehr fundiert antworten kann. Der Wald ist als Erholungsort für Stadtbewohner*innen wichtig und diese Funktion soll erhalten bleiben. Es ist wichtig, dass der Wald mit seiner klimatischen Ausgleichsfunktion langfristig gesund wird und dazu sind die Maßnahmen, auch das Gewässerkonzept, wichtig. Die Art und Anzahl der Nachpflanzungen wird entsprechend der Vorhabenbeschreibung zu mehr Waldfläche führen. Das Projekt ist ein wertvolles Zukunftsprojekt, welches von der grünen Stadtratsfraktion unterstützt wird.

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