Die Chance, mit kluger Förderung die Ökologisierung der Landwirtschaft voranzubringen, wurde vertan

Redebeitrag des Abgeordneten Wolfram Günther zum Doppelhaushalt:
„Einzelplan 9/Umwelt & Landwirtschaft“
12. Sitzung des Sächsischen Landtags, 28. April 2015, TOP 1

 

– Es gilt das gesprochene Wort –

 

Sehr geehrter Herr Präsident,
verehrte Kolleginnen und Kollegen,

der Einzelplan 9 ist in erster Linie ein unambitioniertes „Weiter so“. Die Chance, mit kluger Förderung die Ökologisierung der Landwirtschaft voranzubringen, wurde vertan. Sachsens Landwirtschaft soll für den globalen Wettbewerb fit gemacht werden, anstatt auf eine zukunftsfähige Landwirtschaft zu setzen, die unter dem Schutz der Biodiversität produziert und deren Vertrieb eng in regionale Wertschöpfungsketten eingebunden ist. Die Staatsregierung möchte uns den Eindruck vermitteln, wir könnten erfolgreich mit Billiglohnstandorten konkurrieren. Dies bedeutet jedoch gleichzeitig, auf großflächige Monokulturen zu setzen, die Abhängigkeit von Lebensmittelimporten zu akzeptieren und intensiv und unter Zuhilfenahme fragwürdiger technischer Hilfsmittel zu wirtschaften.

Für die sächsische Industrie gilt seit Langem, dass die Herausforderungen nicht durch Konkurrenz mit Billiganbietern zu lösen sind. Vielmehr gilt, den Know-How-Vorsprung und Sachsens Platz im Wettbewerb durch qualitativ hochwertige Produkte zu sichern. Dieses Bekenntnis kommt mir mit Blick auf die sächsische Landwirtschaft noch zu kurz. Zwar steht auf Seite 233 etwas zum „Spannungsfeld zwischen ökonomischen und ökologischen Interessen“ – letztlich geht es dann aber doch wieder nur darum, sich „den globalen Herausforderungen zu stellen und sich weiter am Weltmarkt auszurichten“.

Das Ministerium für Umwelt und Landwirtschaft gefällt sich in der Rolle des „Ministeriums für den ländlichen Raum“. Wollen Sie diesem Anspruch gerecht werden, müssen Sie mehr tun. Wo es möglich ist, müssen Verarbeitung und Verbrauch regional organisiert werden. Da passt es nicht, wenn die Staatsregierung das Geld für Absatzförderung und Agrarmarketing auf niedrigem Niveau einfriert, um damit dann zuerst Exportförderung zu unterstützen. So werden wir es auch in Zukunft nicht schaffen, eine Regionalmarke für landwirtschaftliche Erzeugnisse aus Sachsen auf die Beine zu stellen.

Große Summen stellt die Staatsregierung dafür ein, „bereits eingetretende Schädigungen für die natürlichen Ressourcen Boden und Grundwasser sowie die daraus resultierenden erheblichen Umwelt- und Gesundheitsrisiken“ zu beseitigen. Denke ich an die Verunreinigungen durch Nitrat, fällt mir dazu nur ein: Vorbeugen ist besser als Heilen. Statt industrialisierte Landwirtschaft unkritisch zu fördern und später die Folgeschäden mit Steuermitteln beseitigen zu lassen, wären Sie gut beraten, umweltschonende Bewirtschaftungsverfahren stärker zu unterstützen, z.B. den ökologischen Landbau. Dem haben Sie die erhöhte Umstellungsprämie gestrichen, obwohl die Zeit der Umstellung einen höheren Investitionsbedarf und Kostenaufwand bedeutet. Darüber hinaus hat der Ökolandbau spezielle Anforderungen an Beratung und Forschung. Der vorliegende Haushalt trägt dem in keinster Weise Rechnung.

Spätestens bei der Braunkohle hört Ihr Einsatz für Umwelt und Wasserqualität gänzlich auf. Stichwort Wasserentnahmegebühr: Wenn Ihnen schon grundsätzliche ökologische Bedenken egal sind, sollten sie wenigstens den Landesrechnungshofbericht studieren. Der Landesrechnungshof sieht für die weitgehende Befreiung des Braunkohlebergbaus von der Wasserentnahmeabgabe „keinerlei Rechtfertigung“.

Anstrengungen zum verstärkten Naturschutz sucht man im Einzelplan generell vergeblich, obwohl das Artensterben und der Lebensraumverlust unaufhörlich weiter voranschreitet. Statt dessen werden Landesmittel mit der Begründung zurückgefahren, EU-Mittel seien in der laufenden Förderperiode abzurufen. Allerdings decken europäische Mittel nicht alle notwendigen Aspekte des Naturschutzes in Sachsen ab. Hält der Freistaat weniger eigenes Geld vor, kann er nicht korrigierend eingreifen, um Lücken zu schließen. Hinzu kommt, dass die Beantragung der EU-Mittel für kleine Betriebe und Ehrenamtler zu aufwändig und unpraktikabel ist. Sie ist nicht kleinteilig genug, weshalb etliche Flächen mit bestimmten Pflegemethoden künftig nicht mehr bearbeitet werden können.

Einen landesweiten Biotopverbund gbt es bis heute nicht, obwohl dieser bis 2015 verwirklicht werden soll. Bisher existieren lediglich „grüne Striche“ auf Sachsens Landkarte. Wir alle wissen, hier muss dringend etwas getan werden. Flächenzerschneidung behindert den Artenaustausch enorm, Schutzgebiete werden zu isolierten Inseln, Wanderkorridore fehlen.

Obwohl Naturschutzstationen im Koalitionsvertrag stehen, findet sich für sie in diesem Haushalt kein Geld. Woraus und wann wollen Sie die finanzieren?

In Ihrem Koalitionsvertrag steht auch: „Der Schutz der biologischen Vielfalt ist eines der großen Ziele der Koalitionspartner im Bereich der sächsischen Naturschutzpolitik. Zur Erhaltung und Pflege des Naturerbes ist die Naturschutzpolitik der Koalition nicht allein auf den Schutz einzelner Gebiete oder Arten gerichtet, sondern berücksichtigt die Gesamtzusammenhänge.“ Selten war die Kluft zwischen Wort und Wirklichkeit größer.

Ein Haushaltsentwurf sollte die finanzielle Absicherung und Umsetzung politischer Konzepte und Leitbilder sein. Die von mir vorgetragenen Auszüge aus Ihrem Koalitionsvertrag können nicht Grundlage dieses Einzelplanes gewesen sein.
Den Einzelplan für Umwelt und Landwirtschaft, wie er uns jetzt vorliegt, können wir daher nur ablehnen.

 

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