Redebausteine des Fraktionsvorsitzenden Wolfram Günther zur Regierungserklärung des Ministerpräsidenten Michael Kretschmer: ‚Sachsen gestalten – sicher, sozial, frei!‘
94. Sitzung des 6. Sächsischen Landtags, 2. Juli 2019, TOP 1
– Es gilt das gesprochene Wort –
Sehr geehrter Herr Präsident,
sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
ein paar Worte zur AfD:
Sie leben in einer ganz eigenen Welt, die mit Fakten nichts zu tun hat. Wie sie verbal hier auftreten mit Begriffen wie „Deutschlandhasser“ und wie sie Menschen gegeneinander aufhetzen, das ist genau, wofür Sie hier stehen: Sie wollen die Gesellschaft in Ihrem Sinne gleichschalten, sie wollen einen autoritären Staat. Dazu kann ich nur sagen: Wir alle als Demokratinnen und Demokraten stehen auf gegen Ihre Angriffe auf die Freiheit in diesem Land.
Niemals darf diese Partei auch nur in die Nähe von politischer Verantwortung in diesem Land kommen.
Aber da komme ich auch schon zum Problem in diesem Land:
Sie, Herr Ministerpräsident, haben heute nochmal sehr deutliche Worte gefunden zur Abgrenzung von genau solchen politischen Positionen, das nehme ich Ihnen persönlich ab.
Aber: Viele Menschen in diesem Land haben nicht wirklich das Vertrauen, dass es eine klare Abgrenzung gibt.
Da müssen wir gar nicht erst nach Sachsen-Anhalt schauen:
Da gibt es einen Landrat im Landkreis Meißen mit Ihrem Parteibuch, der Gespräche zur Zusammenarbeit mit der AfD aufnimmt.
Es gibt einen Landrat im Erzgebirgskreis, der gerade den Vogel abschießen will – der dafür sorgen will, dass die NPD einen Sitz im Finanzausschuss bekommt, obwohl die NPD gerade bei der Kommunalwahl so viele Mandate verloren hat, dass ihr dieser Sitz nicht mehr zusteht.
Es gab in Meißen eine Oberbürgermeisterwahl, in der ein OB-Kandidat von Ihnen gewonnen hat, weil Sie und die AfD ihn gemeinsam unterstützt haben.
Ich komme aus Mittelsachsen: Da gibt es eine Bundestagsabgeordnete, die schon seit geraumer Zeit für ein Zusammengehen mit der AfD wirbt.
Das Vertrauen der Menschen in ihre Abgrenzung fehlt.
Dann zu Ihren Inhalten:
Sie haben viele Problemfelder dargelegt, bei denen wir sagen: Ja, da müssen wir vorankommen in diesem Land.
Mal als Beispiel: Sie haben über die 50 Millionen Bäume gesprochen, die gepflanzt werden sollen. Das Problem ist: Dass es an den langen Linien, an einem konsistenten Plan, an einer konsistenten Politik fehlt, dass man das Ihnen abnimmt. Wir haben in den letzten fünf Jahren zig Vorschläge gemacht, wir haben zum kommunalen Baumschutz Vorschläge gemacht – Sie haben das alles abgelehnt. Wir haben zum Auenprogramm Vorschläge gemacht – Sie haben abgelehnt. Wir haben den Waldumbau thematisiert, damit wir schneller vorankommen – das haben Sie abgelehnt. Wir haben den Flächenfraß thematisiert – auch da haben Sie alles abgelehnt.
Genau eine konsistente Politik braucht es für eine glaubwürdige Klimapolitik.
Sie haben hier jahrelang erzählt: Wir müssten gar nichts machen, der Braunkohleausstieg kommt gar nicht. Jetzt kommt der Braunkohleausstieg und wir haben hier in Sachsen Jahre verloren. Wir müssen jetzt handeln – nicht erst in 20 Jahren!
Wir brauchen eine Energiewende, die ihren Namen verdient.
Wir brauchen klare Regelungen für den Ausbau der erneuerbaren Energien und Rechtssicherheit. All das haben wir in Sachsen nicht. Was wir allerdings bei Ihren Veranstaltungen erleben: Es ist höchst unsachlich, wie Sie die Windkraft diffamieren in diesem Land.
Wir GRÜNE sagen: Sachsen bekommt bis 2030 zu 100 Prozent sauberen Strom. Das ist machbar, wenn wir mit aller Kraft anpacken!
Wir brauchen eine glaubwürdige Umweltpolitik:
Das Thema Artenvielfalt haben wir jahrelang hier im Landtag vorgetragen, da gab es jahrelang Widerstand von Ihrer Seite. Das Thema Biotopvernetzung und Großschutzgebiete haben wir mehrfach thematisiert. Da kam von Ihnen Widerstand. Auch den Flächenfraß müssen wir endlich eindämmen. Wenn wir da nicht vorankommen, werden wir keine glaubwürdige Umweltpolitik erreichen.
Wir brauchen eine glaubwürdige Agrarwende:
Wir brauchen eine Pestizidreduktionsstrategie. Wir haben Vorschläge für mehr Ökolandbau, für bessere Wertschöpfungsketten und mehr regionale Erzeugung gemacht. Auch da haben wir keine Antwort von Ihnen bekommen.
Wir brauchen eine glaubwürdige Verkehrswende:
Die Situation, in der wir heute stehen, dass Bahnstrecken abbestellt werden, das ist alles nicht vom Himmel gefallen, das waren alles Ihre CDU-Mandatsträger. Wenn es darum geht, Bahnstrecken zu reaktivieren, scheitert das oft an Verantwortungsträgern mit Ihrem Parteibuch, Herr Kretschmer!
Wir brauchen eine Angebotsoffensive, wir brauchen einen stündlichen Sachsentakt, der ganz Sachsen mit Bahn und Bus von früh bis Mitternacht stündlich anbindet. Wir wollen ein sachsenweiten 365-Euro-Jahresticket für Auszubildende und Studierende. Wir müssen den Rad- und Fußverkehr deutlich verbessern.
Wir brauchen auch eine glaubwürdige Wohnungspolitik.
Auch die ist bei Ihnen inkonsistent. In den großen Städten ist die Wohnungsfrage zur sozialen Frage Nummer Eins geworden. Wir haben einen Vorschlag vorgelegt, wie wir jährlich 5.000 Wohnungen im sozialen Wohnungsbau errichten können. Natürlich brauchen wir neben den Ballungsräumen auch eine kluge Strukturpolitik für den ländlichen Raum.
Wir brauchen eine neue Wirtschaftspolitik:
Wir müssen den Arbeits- und Fachkräftemangel endlichen angehen. Wir müssen an einem weltoffenen Sachsen arbeiten und auch die Lebensqualität in Stadt und Land mitdenken.
Wir brauchen eine glaubwürdige Gleichstellungspolitik:
Ein Gleichstellungsgesetz ist überfällig. Es nützt allen in unserer Gesellschaft, wenn Beruf und Familie miteinander vereinbar sind.
Wir brauchen eine glaubwürdige Innenpolitik:
Das Pendel zwischen Freiheit und Sicherheit ist in einer Schieflage. Ja, wir brauchen eine anonyme Kennzeichnungspflicht und eine unabhängige Beschwerdestelle. Nur so schaffen wir wieder Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Arbeit der Polizei.
Wir wollen wieder mehr Polizei in der Fläche. Es braucht in jeder Stadt über 10.000 Einwohner eine dauerhaft besetzte Polizeistelle. Das Schließen von Polizeirevieren ist Ergebnis Ihrer Politik, liebe CDU!
Wir brauchen eine glaubwürdige Politik für Demokratie und mehr Transparenz:
Wir haben Ihnen einen Gesetzentwurf vorgelegt, wie die Rechte der Gemeinderäte und Kreisräte gestärkt werden können. Wir wollen die Hürden für Volksanträge und Volksbegehren absenken. Wir wollen ein Transparenzgesetz für einen öffentlichen Zugang zu Verwaltungshandeln. Nur so können Sie das Vertrauen in die Arbeit der Verwaltung stärken.
Lassen Sie uns Sachsen zu einem echten Freistaat machen!
Dafür braucht es Mut zur Freiheit – und kein Klima von Hass und Hetze. Deswegen stehen wir klar für Menschlichkeit, Weltoffenheit, Vielfalt und Demokratie.
Lassen Sie uns an die Ideale von 1989 anknüpfen! Lassen Sie uns an einer hellen, hoffnungsfrohen Zukunft arbeiten! Dieses Land und seine Menschen haben es verdient.
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