Öffentliches Fachgespräch vom 12. Juni 2025
Die Corona-Pandemie hat Unternehmen, Soloselbstständige und Freiberufler vor nie dagewesene Herausforderungen gestellt. Mit Hilfspaketen in Bund und Land wurde in Windeseile geholfen – schnell, pragmatisch und oft unbürokratisch. Doch nun, Jahre später, stehen viele Betroffene vor der Rückforderung von Geldern. Die Lücke zwischen rechtlicher Auslegung und betrieblicher Realität ist groß – und sie gefährdet die wirtschaftliche Erholung vieler Betroffener und die gesellschaftliche Verarbeitung der Pandemie.
Das öffentliche Fachgespräch der BÜNDNISGRÜNEN Fraktion am 12. Juni 2025 zeigte eindrücklich, wie groß die Unsicherheit und die Frustration in Teilen der Wirtschaft sind und wie dringend pragmatische Lösungen gebraucht werden. Teilnehmende der Sächsischen Aufbaubank (SAB), des Sächsisches Staatsministerium für Wirtschaft, Arbeit, Energie und Klimaschutz (SMWA), der Industrie- und Handelskammer, der DEHOGA, der Handwerkskammer, des Kreativen Sachsen e.V., des Handelsverbands Sachsen, sowie Unternehmer:innen und Soloselbstständige aus dem Handwerk, dem Einzelhandel, der Gastronomie, der Kulturwirtschaft tauschten sich auf Einladung der Fraktion BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN zur Lage der Betroffenen, rechtlichen Rahmen und politischen Handlungs-Bedarfen aus.
Der Spannungsbogen: Rechtlich korrekt aber wirtschaftlich existenzbedrohend
Die Sächsische Aufbaubank (SAB) ist an die Vorgaben des Bundes und der EU gebunden und kann nur in dem Rahmen agieren, den der Freistaat, vor allem SMF und SMWA, vorgeben.
Derzeit läuft das Rückmeldeverfahren. Verwaltung und Verbände sind sich einig: Allen Unternehmen ist geraten, das Rückmeldeverfahren durchzuführen. Wer nicht zurückmeldet, muss derzeit mit einer 100%igen Rückforderung rechnen.
Die Sächsische Aufbaubank (SAB) hält sich im Verfahren an geltende Vorgaben – wie an die Definition des „Liquiditätsengpasses“, der die Grundlage für die Soforthilfe bildete. Doch gerade diese Definition führt in der Praxis zu Missverständnissen.
Die Rückforderung erfolgt auf Basis einer nachträglichen Prüfung des tatsächlichen Liquiditätsengpasses im Förderzeitraum. Wer diesen nicht nachweisen kann, muss die erhaltenen Mittel zu entsprechenden Teilen zurückzahlen.
Zwar gibt es Möglichkeiten zur Stundung oder Ratenzahlung, doch die Fristen, Bedingungen und Verfahren werden von vielen Unternehmen als intransparent oder schwer verständlich wahrgenommen. Besonders für kleine Unternehmen und Soloselbstständige ist das eine enorme finanzielle und emotionale Belastung. Die Rückforderungen treffen ausgerechnet Branchen, die sich bis heute nicht von den Krisen erholt haben und nun zusätzlich unter Konjunkturflaute und Haushaltsengpässen leiden.
Die BÜNDNISGRÜNE Fraktion hat daher einen Antrag ins parlamentarische Verfahren eingebracht.
Wolfram Günther, Fachsprecher für Wirtschaft betont: „Unternehmen, die in der Krise mit öffentlichen Mitteln gerettet wurden, dürfen nicht im Nachgang durch Rückforderungen in Ihrer Existenz bedroht werden. Der Freistaat muss alle Spielräume ausschöpfen, um die Lage der Betroffenen zu verbessern.“
Zahlreiche Unternehmer:innen berichten von Unsicherheit, Überforderung und fehlender Klarheit im Verfahren. Definitionen des „Liquiditätsengpass“ und die Zuordnung zu „Verbundunternehmen“ sind in der Definition zu weit von der betrieblichen Realität entfernt und führten zu Missverständnissen. Hinzu kommen nachträgliche Änderungen an Verfahrensregeln, uneinheitliche Regelungen zwischen Bundesländern und fehlende Berücksichtigung des Unternehmerlohns in Sachsen. Die flächendeckenden Prüfungen geben vielen Betroffenen das Gefühl von Misstrauen.
Viele Unternehmer:innen fühlen sich im Verfahren alleingelassen und verunsichert. Sie wünschen sich eine transparentere Kommunikation, klare Darstellung von Fristen, Verfahren und Konsequenzen bei Fristverletzung, Stundung oder Ratenzahlung. Der Handlungsspielraum auf Behördenseite ist eingeschränkt und muss politisch erweitert werden, um den Bedarfen gerecht zu werden.
Forderungen und Lösungsvorschläge
Die Veranstaltung brachte zahlreiche konkrete Forderungen und Vorschläge hervor, von denen einige die Landesregierung adressieren, andre durch die Koalition an den Bund herangetragen werden müssen. Während nur ein Teil der Lösung im Verfahren liegt, braucht es auf politischer Ebene den Mut, aus Erfahrungen der Pandemie zu lernen und eine politische Neueinschätzung des Verfahrens.
- Verlängerung der Rückzahlungsfristen und zinslose Ratenzahlungen.
- Transparenz und Planungssicherheit für Unternehmen zum Verfahren, insbesondere bei Widersprüchen und Stundungen.
- Direkte Kommunikationswege, auch bei Überbrückungshilfen.
- Die Bagatellgrenzen erheblich zu erhöhen.
- Ermessensentscheidung unter Berücksichtigung behördlicher Mitverantwortung, existenzgefährdender Folgen der Rückforderung aufgrund anhaltender Sonderbelastungen und das breite öffentliche Interesse zur Vermeidung von Leerstand und Erhalt der kleinen Betriebe
- Individuelle Härtefallregelungen für betroffene Unternehmen.
- Berücksichtigung des Unternehmerlohns und der Lebenshaltungskosten in der Berechnung des Liquiditätsengpasses.
Verunsicherung, Frust und der Mut zum politischen Handeln
Die Stimmung unter den Teilnehmenden war geprägt von Verunsicherung, Frust und Existenzängsten. Viele fühlen sich von der Politik im Stich gelassen.
Die Rückforderung der Corona-Soforthilfen trifft viele, die sich redlich bemüht haben, die Pandemie und darauf folgende Krisen zu überstehen – teils mit erheblichem persönlichen Einsatz. Gerade in wirtschaftlich angespannten Zeiten braucht es von Seiten der Verwaltung mehr als die formale Rechtsauslegung. Vor allem aber ist die Politik gefragt: Sachsens Koalition – Ministerpräsident Kretschmer, Finanzminister Piwarz und Wirtschaftsminister Panter müssen nun Mut zeigen für Pragmatismus, Dialog und Kulanz – und klaren politischen Willen, um das Vertrauen der kleinen und mittleren Unternehmen nicht zu verlieren.
So entschlossen, wie zu Beginn der Pandemie Hilfen ermöglicht wurden, so konsequent müssen diese auch umgesetzt werden. Denn ohne die vielen kleinen Unternehmen, die Kreativen und die Selbstständigen wird Sachsen ärmer – wirtschaftlich, kulturell und gesellschaftlich.