Umwelt und Landwirtschaft/Doppelhaushalt − Günther: Weder im Bereich Umwelt und Naturschutz noch im Bereich Landwirtschaft ist eine wirkliche Strategie zur Lösung der drängendsten Probleme zu erkennen

Umwelt und Landwirtschaft/Doppelhaushalt − Günther: Weder im Bereich Umwelt und Naturschutz noch im Bereich Landwirtschaft ist eine wirkliche Strategie zur Lösung der drängendsten Probleme zu erkennen

 

Redebausteine des Abgeordneten Wolfram Günther in der Debatte um den Haushalt des Staatsministeriums für Umwelt und Landwirtschaft (Drs 6/5550, 6/6237, 6/6871 und 6/7150)

  1. Sitzung des Sächsischen Landtags, 14. Dezember 2016, TOP 1.8

 

 

– Es gilt das gesprochene Wort –

 

 

Herr Präsident,

meine Damen und Herren,

 

ein Haushalt sollte die finanzielle Absicherung und Umsetzung politischer Konzepte und Leitbilder sein. Insgesamt ist weder im Bereich Umwelt und Naturschutz eine wirkliche Strategie zur Lösung der drängendsten Probleme erkennen, noch im Bereich Landwirtschaft. Insgesamt ist der Einzelplan 09 eine weitgehend ideenlose Fortschreibung des alten Haushalts. Die Zeiten ändern sich aber.

Allerdings sind zumindest Anstrengungen zum verstärkten Naturschutz sind in 3 Punkten zu entdecken:

– mehr Geld, konkret 50.000 Euro für die LAG der anerkannten Naturschutzverbände

– die Mittelaufstockung der Umweltbildungsvereine über LaNU und Netzwerk Umweltbildung (Mittelaufstockung von 200.000 €),

– positive Entwicklung bei den Naturschutzstationen (1.575.000 € plus unbefristete Stelle bei der LaNU) und Koalition hier offenbar auch lernfähig gewesen, jetzt kommt es darauf an gemeinsam mit den Verbänden ein kluges Konzept zu entwickeln, unser Angebot zur Mitarbeit ist da, wir haben bereits weitreichende konzeptionelle Überlegungen.

 

Trotz dieser positiven Einzelsignale, die wir anerkennen, bleibt überwiegend ein bitterer Beigeschmack.

Das Artensterben und der Lebensraumverlust schreitet unaufhörlich weiter voran. Landesmittel werden weiterhin mit der Begründung zurückgefahren, EU-Mittel seien gerade die vollumfassende Lösung für die Förderung von Umweltaufgaben. Allerdings decken europäische Mittel nicht alle notwendigen Aspekte des Naturschutzes in Sachsen ab. Hält der Freistaat weniger eigenes Geld vor, kann er nicht korrigierend eingreifen um Lücken zu schließen. Intensive Rücksprache mit vielen Naturschützern inkl. Fachgesprächen hat ergeben, dass die Beantragung der EU-Mittel für kleine Betriebe und Ehrenamtler häufig zu aufwändig und unpraktikabel ist. Sie ist nicht kleinteilig genug, weshalb etliche Flächen mit bestimmten Pflegemethoden künftig nicht mehr bearbeitet werden können.

Ein landesweiter Biotopverbund in Sachsen existiert bis heute nicht, obwohl dieser bis 2015 verwirklicht werden soll. Bisher existieren jedoch nur „grüne Striche“ auf Sachsens Landkarte. Wir alle wissen, hier muss dringend etwas getan werden. Flächenzerschneidung behindert den Artenaustausch enorm, Schutzgebiete werden zu isolierten Inseln, Wanderkorridore fehlen.

 

Bei der Braunkohle hört ihr Einsatz für die Umwelt für die Wasserqualität auf. Stichwort Wasserentnahmegebühr. Wenn Ihnen grundsätzliche ökologische Bedenken egal sind, sollten sie vielleicht mal intensiv den Landesrechnungshofbericht studieren. Der Landesrechnungshof (LRH) sieht für die weitgehende Befreiung des Braunkohlebergbaus von der Wasserentnahmeabgabe „keinerlei Rechtfertigung“.

 

Auf unsere Kritik beim Hochwasserschutz werde ich im Zuge der Einbringung unseres Änderungsantrages gesondert eingehen.

 

Ich würde die Gelegenheit der Haushaltsdebatte gern dazu nutzen, Sie an ihren eigenen Koalitionsvertrag zu erinnern. Ich zitiere:

>>Der Schutz der biologischen Vielfalt ist eines der großen Ziele der Koalitionspartner im Bereich der sächsischen Naturschutzpolitik. Zur Erhaltung und Pflege des Naturerbes ist die Naturschutzpolitik der Koalition nicht allein auf den Schutz einzelner Gebiete oder Arten gerichtet, sondern berücksichtigt die Gesamtzusammenhänge.<<

>>Die Koalitionspartner wollen die Wassergüte weiter verbessern, damit in sächsischen Flüssen und Seen der Artenreichtum weiter zunimmt und die Ziele der Wasserrahmenrichtlinie erreicht werden.<<

>>Wir treten für einen vorbeugenden Hochwasserschutz ein, der die Balance zwischen baulich-technischen Lösungen und natürlichem Wasserrückhalt einhält. Dazu gehören insbesondere die Schaffung von Retentionsflächen, die Anlegung von Polderflächen, Deichrückverlegungen, Bebauungsverbote und die Etablierung eines Auenprogramms sowie kontinuierliche Pflegemaßnahmen.<<

Ein Haushaltsentwurf sollte die finanzielle Absicherung und Umsetzung politischer Konzepte und Leitbilder sein. Die von mir vorgetragenen Auszüge aus Ihrem Koalitionsvertrag können allerdings nur am Rande Grundlage dieses Einzelplanes gewesen sein.

 

Dieser Haushalt ist auch im Bereich Landwirtschaft die Fortsetzung des letzten und des davor beschlossenen usw.. Man könnte das als lobenswerte Konstanz bezeichnen – oder aber eben auch als Einfallslosigkeit, was angesichts der Krisen in der Landwirtschaft fatal ist.

Die Gedanken, welche sich Landwirtschaftsminister Schmidt um die sächsischen Bauern und deren Existenzen macht, finden zu wenig Eingang in den Staatshaushalt. Die Chance, mit kluger Förderung die Ökologisierung der Landwirtschaft voran zu bringen, wurde weitestgehend vertan. Sachsens Landwirtschaft soll für den globalen Wettbewerb fit gemacht werden, anstatt auf eine zukunftsfähige Landwirtschaft zu setzen, die unter dem Schutz der Biodiversität produziert und deren Vertrieb eng in regionale Wertschöpfungsketten eingebunden ist. Die Staatsregierung möchte uns den Eindruck vermitteln, wir könnten erfolgreich mit Billiglohnstandorten konkurrieren. Dies bedeutet jedoch gleichzeitig, auf großflächige Monokulturen zu setzen, die Abhängigkeit von Lebensmittelimporten zu akzeptieren und intensiv und unter Zuhilfenahme technischer Hilfsmittel zu wirtschaften, deren Nachteile weitgehend ausgeblendet werden.

 

Die Betriebe sind da weiter. Immer mehr Unternehmen beginnen, ihre Produkte selbst zu vermarkten. Die zahlreichen Milchtankstellen sind ein gutes Beispiel. Viele Landwirte verlieren nämlich so langsam den Glauben an den großen Durchmarsch am globalen Markt. Und sie verlieren auch den Glauben an die CDU-Agrarpolitik. Einen Satz, den ich von Bauern in letzter Zeit häufiger zu hören bekomme, lautet (ich zitiere): „Lieber bei den Grünen leiden als mit der CDU untergehen.“ (Zitat Ende)

Das SMUL gefällt sich in der Rolle des „Ministeriums für den ländlichen Raum“. Wollen Sie diesem Anspruch gerecht werden, müssen Sie mehr tun. Mit Hilfen für in Schwierigkeiten geratene Unternehmen finanziert die Staatsregierung ein Sterben auf Raten sächsischer Betriebe. Der Tropf nährt sie noch eine Weile, jedoch die Symptome der krankenden Landwirtschaft werden nicht behandelt. Nun können wir hier in Sachsen europäische Agrarpolitik nicht umdeuten. Wir können jedoch sehr wohl die vorhandenen Spielräume nutzen und Neues wagen. Wo es möglich ist, müssen Verarbeitung und Verbrauch regional organisiert werden. Da passt es nicht dazu, wenn die Staatsregierung das Geld für Absatzförder- und Agrarmarketing-Maßnahmen auf niedrigem Niveau weiterlaufen lässt. Ja, es gibt ein paar Euro mehr für Broschüren, aber das allein reicht nicht, um erfolgreiche Regionalmarken zu etablieren.

 

Wenn Sie mir jetzt erwidern, das Geld aus diversen Fördertöpfen fließe ja gar nicht ab, wozu solle man mehr dort hineintun, dann sage ich Ihnen: Schauen Sie sich mal die Richtlinien und Durchführungsbestimmungen an. Die sind oft so umständlich und bürokratisch, dass dem Landwirt gar keine andere Möglichkeit bleibt als darauf zu verzichten.

 

Nach wie vor stellt die Staatsregierung große Summen dafür ein, Schädigungen der natürlichen Ressourcen (Boden und Grundwasser) sowie die daraus resultierenden Umwelt- und Gesundheitsrisiken zu beseitigen. Denke ich an die Verunreinigungen durch Nitrat, fällt mir dazu nur ein: Vorbeugen ist besser als Heilen. Statt industrialisierte Landwirtschaft unkritisch zu fördern und nachher die Folgeschäden mit Steuermitteln beseitigen zu lassen, wären Sie gut beraten, umweltschonende Bewirtschaftungsverfahren stärker zu unterstützen, z.B. den ökologischen Landbau. Das Interesse der konventionellen Kollegen an ökologischer Produktion ist in letzter Zeit deutlich angestiegen. Grund ist der enorme Preisdruck, dem sich viele konventionelle Landwirte ausgeliefert sehen. Gleichzeitig besteht mit der Ökobranche ein Markt, der deutlich größer als die einheimische Produktion ist. Hier gibt es also noch Luft nach oben. Doch eine Umstellung ist nicht damit getan, dass man sich ein GÄA oder Biolandschild ans Hoftor schraubt – notwendig ist eine vertiefte Beratung, damit die Umstellung nicht zum wirtschaftlichen Fiasko wird, weil wesentliche Betriebsabläufe eines Ökobetriebes anders funktionieren als die eines konventionellen Betriebes.

 

Wir Grünen haben deshalb das Kompetenzzentrum Ökolandbau Sachsen vorgeschlagen und setzten uns darüber hinaus für mehr Forschung im Freistaat ein. Das wir damit bei der Koalition bisher kein Gehör gefunden haben zeigt, dass sie es mit dem Ökolandbau nicht sonderlich ernst meinen kann. Legen wir mal die ideologischen Scheuklappen ab: Ökolandbau ist ein Wachstumsmarkt, der nicht alle Probleme der Landwirtschaft lösen wird, aber für etliche Betriebe eine Möglichkeit wäre, dem Preisdumping der Discounter und des übersättigten Weltmarktes zu entkommen. Unterstützen Sie diese Betriebe!

 

Den Einzelplan 09, wie er uns jetzt vorliegt, können wir – trotz der genannten Verbesserungen im Naturschutz – insgesamt daher nur ablehnen.

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