15 Jahre Hochwasser 2002 – GRÜNE: Ökologischer Hochwasserschutz in Sachsen findet nur im Schneckentempo statt

Foto: GFSN (GRÜNE-Fraktion Sachsen)

Günther: Technische Bauten wie Mauern und Dämme allein verschieben die Flut nur auf die Unterlieger

 
Dresden. Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Sächsischen Landtag kritisiert die Behäbigkeit bei der Schaffung zusätzlicher Überschwemmungsflächen an sächsischen Flüssen für den Hochwasserschutz.
Wolfram Günther, umweltpolitischer Sprecher der Fraktion, stützt sich dabei auf aktuelle Antworten von Innenminister Markus Ulbig und Umweltminister Thomas Schmidt (CDU) auf eine Kleine Anfrage.
 
„Seit dem verheerenden Hochwasser im August 2002 ist klar: Wir brauchen mehr natürliche Überflutungsflächen für unsere Flüsse. Technische Bauten wie Mauern und Dämme allein verschieben die Wassermassen auf die Unterlieger. Obwohl es also bitter nötig ist, den Flüssen mehr Raum zu geben, sind die Bekenntnisse der verschiedenen Staatsregierungen zu natürlichem Hochwasserschutz bis heute nur Floskeln.“
„In Sachsen findet ökologischer Hochwasserschutz nur im Schneckentempo statt“, fasst Wolfram Günther die Ergebnisse seiner Anfragen zusammen.
 
„Ursprünglich wollte die Staatsregierung nach der Flut 2002 an insgesamt 49 Stellen die Überschwemmungsflächen der Flüsse vor allem durch gezielten Deichrückbau, aber auch den Bau von Poldern vergrößern. Der Plan, den Flüssen ehemalige Überschwemmungsflächen zurückzugeben, war gut.“
 
15 Jahre später stehen nur noch 39 Maßnahmen auf der Agenda. Damit reduziert sich die Überflutungsfläche von einst 7.500 Hektar auf 5.650 Hektar. Bis jetzt sind selbst davon erst sechs Deichrückverlegungen mit 188 Hektar Flächengewinn umgesetzt. Dazu kommt ein fertig gestelltes Polderbauwerk (wird nur gezielt geflutet) mit 72 Hektar Flächengewinn im Flutungsfall.
„Dies entspricht 3,5 Prozent der 2010 geplanten 7.500 Hektar. Das ist ein Armutszeugnis und reicht nicht aus. Intakte und lebendige Auen sind für den Hochwasserschutz von existenzieller Bedeutung. Wasser kann in der Breite versickern, wird durch angepasste Pflanzen aufgenommen und verdunstet. Hochwasser gehört in die Aue und nicht in unsere Wohnzimmer“, sagt der Abgeordnete.
 
„Angesichts der Gefahr erneuter Hochwasser durch die Klimaerwärmung und die Zunahme von Extremwetterlagen ist die Reduzierung der ursprünglichen Zielstellung um ein Drittel und das Schneckentempo bei der Realisierung natürlicher Auenflächen indiskutabel. Ich erwarte, dass der Umweltminister diese Untätigkeit der Öffentlichkeit erläutert. Wieso sind nach 15 Jahren erst sechs kleinere Deichrückverlegungen Eilenburg (Landkreis Nordsachsen), Sermuth (Landkreis Leipzig), Crossen (Landkreis Zwickau), Brischko (Landkreis Bautzen), Dörgenhausen (Landkreis Bautzen) und Flöha (Landkreis Mittelsachsen) sowie ein Polderbauwerk (Umverlegung Weißer Schöps, Landkreis Görlitz) fertig? Wieso wurden in 15 Jahren nur lächerliche 188 Hektar zusätzliche Auenflächen für 8,5 Millionen Euro geschaffen, während man beim technischen Hochwasserschutz weder Kosten noch Mühen gescheut hat?“, fragt Günther.
 
Von den weiteren durch die Staatsregierung aufgeführten 32 geplanten Maßnahmen sind aktuell lediglich vier im Bau. Dabei handelt es sich um eine Deichrückverlegung in Crossen an der Zwickauer Mulde, in Niederlichtenau an der Zschopau und in Sagar an der Lausitzer Neiße sowie den Polder bei Löbnitz im Landkreis Nordsachsen.
 
 
>> Antwort von Umweltminister Thomas Schmidt (CDU) auf die Kleine Anfrage des Abgeordneten Wolfram Günther (GRÜNE) ’15 Jahre nach der „Jahrhundertflut“: vorbeugender Hochwasserschutz in Sachsen – Stand der realisierten Deichrückverlegungen 2002 bis 2017′ (Drs 6/10133)
 
 
Hintergrund:
In den sächsischen Hochwasserschutzkonzepten für die Elbe und die sächsischen Gewässer 1. Ordnung waren nach den Hochwasserereignissen 2002 insgesamt 49 Maßnahmen mit einem Gesamtumfang von 7.500 Hektar Überflutungsflächengewinn vorgesehen. Dies betraf Deichrückverlegungen und einige neu zu schaffende Polder (siehe dazu Drs 5/3943 aus 2010).

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