Seenotrettung − Günther: Denen, die unter hohem persönlichem Einsatz Menschenleben retten, gilt unser großer Dank!

Redebausteine des Abgeordneten Wolfram Günther zur Aktuellen Debatte der Fraktionen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zum Thema:“ Seenotrettung ist kein Verbrechen – das andere Sachsen handelt!“
Aktuelle Debatte der Fraktion GRÜNE, 27. September, TOP 1

– Es gilt das gesprochene Wort –

Sehr geehrter Herr Präsident,
liebe Kolleginnen und Kollegen,

Stellen Sie sich vor, wie es sein muss, wenn Menschen gefoltert und vergewaltigt werden – in Libyen.
Stellen Sie sich vor, wie es sein muss, wenn Menschen in ihrer Verzweiflung alles tun, um ihre Heimat, ihr Land hinter sich lassen.
Stellen Sie sich vor, wie es sein muss, wenn der einzige Weg ein Schlauchboot ist und dass man für diesen lebensgefährlichen Weg über das weite Mittelmeer fahren muss.

Wer wie ich persönlich Menschen kennengelernt hat, die über das Mittelmeer flüchten mussten, weiß, dass diese Menschen häufig traumatisiert sind. – Aber sie sind nicht geflüchtet, weil Seenotretter das tun, was zu tun ist, wenn Menschen in Lebensgefahr schweben.
Der Dresdner Verein ‚Mission Lifeline‘ hat sich 2016 gegründet und sich auch in diesem Sommer aufgemacht, um Menschenleben auf dem Mittelmeer zu retten. Dafür ist er in einer hochkritischen Situationen weit über die Grenzen Sachsens bekannt geworden.
Den Menschen, die unter hohem persönlichem Einsatz Menschenleben retten, obwohl das eigentlich staatliche Aufgabe wäre, gilt unser großer Dank!

Als die Seenotretter tagelang nicht in Malta anlegen konnten, wäre es Aufgabe einer guten sächsischen Staatsregierung gewesen, sich öffentlich klar zu äußern und zu positionieren.
Stattdessen haben Sie, Herr Ministerpräsident, bis heute geschwiegen.
Ich finde, das ist bei diesem so wichtigen Thema ein Totalausfall!

Zugleich gibt es einige Pseudoexperten weit rechts, denen auch Menschenleben offensichtlich nichts bedeuten.
Ich will daher den Anlass dieser Aktuellen Debatte nutzen, um mit einigen immer wieder von diesen Kreisen ins Feld geführten Falschbehauptungen aufzuräumen.

Falschbehauptung 1: Die Seenotretter machen sich der Schlepperei mitschuldig!
Das Gegenteil ist der Fall. Oft ist sogar die lybische Küstenwache selbst in das Schleppergeschäft verwickelt. Die Seenotrettungsbesatzungen von ‚Mission Lifeline‘ sind darum bemüht, nach dem Retten der Schiffe die Boote zu versenken oder zu zerstören. Häufig funktioniert das allerdings nicht, da die Küstenwache das mit Waffengewalt unterbunden hat. Es ist nachvollziehbar, wenn nicht jeder Kapitän sich mit solchen Leuten von einer bewaffneten Küstenwache anlegen will.

Falschbehauptung 2: Die Seenotretter sollen die Menschen zurück nach Afrika schicken!
Das ist völlig unmöglich! Das Einfahren in die Hoheitsgewässer ist strengstens verboten. Darauf stehen mehrjährige Haftstrafen, da sich die Seenotrettung dann selbst der Schlepperei schuldig machen würde. Zudem ist es völlig irrwitzig, weil die libysche Küstenwache selbst das Feuer eröffnen würde.

Falschbehauptung 3: Die Seenotrettung würde für Ihre Arbeit bezahlt werden.
Diese immer wieder vorgebrachte Behauptung ist völliger Unsinn. Die Vereine wie auch ‚Mission Lifeline‘ werden allesamt von Spenden finanziert. Es ist richtig, dass einzelne prominente Persönlichkeiten spenden. Denen geht es darum, dass die humanitären Werte Europas auch an den Seegrenzen vertreten werden.

Falschbehauptung 4: Die Seenotrettung bringt Migranten nach Europa!
Die Seenotrettung ist von der Europäischen Union verpflichtet, die Geretteten nach Europa zu bringen. Die Vereine mussten den von der Europäischen Union vorgelegten ‚Code of Conduct‘ unterschreiben, der alle Besatzungen verpflichtet, die geretteten Menschen in europäische Häfen einlaufen zu lassen. Sonst würde man seitens der Europäischen Union alle Schiffe beschlagnahmen. Die Seenotrettungsbesatzungen protestiert dagegen, dass sie in der furchtbaren Situation stecken, bis zu den europäischen Häfen fahren zu müssen.

Meine Damen und Herren,

über 3.000 auf dem Meer treibende Leichen werden jedes Jahr im Mittelmeer gezählt.
Bei den italienischen Behörden gilt es jedoch als realistisch, dass über 60.000 Menschen jedes Jahr im Mittelmeer ertrinken.
Wir sollten froh sein, über jedes Menschenleben, das gerettet wird. Dafür gebührt den Menschen von der privaten Seenotrettung unser Dank – weil es eben staatliche Aufgabe wäre, Menschenleben in Lebensgefahr zu retten.

Wir wissen, dass Pegida und ihr Umfeld >>Absaufen!<< schreien und applaudieren, wenn Frauen, Männer und Kinder mitten im Meer ihr Leben lassen.
Das zeigt, wie menschenverachtend dieses Denken ist.

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