Der Regierungsantrag zur Förderung des ländlichen Raumes zeigt nichts weiter als die Fortsetzung des Rumgewurschtels einander widersprechender Förderprogramme und -ziele

Redebeitrag des Abgeordneten Wolfram Günther zum Antrag der CDU/SPD-Fraktion:
„Für einen starken ländlichen Raum in Sachsen – Förderrichtlinien im Rahmen des Entwicklungsprogramms für den ländlichen Raum 2014-2020 zügig und unbürokratisch umsetzen“ (Drs. 6/451)
5. Sitzung des Sächsischen Landtags, 18. Dezember 2014, TOP 3

 

– Es gilt das gesprochene Wort –

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

dem vorliegenden Antrag der Koalition kann m. E. mit gutem Gewissen zugestimmt wrden. Warum? Es handelt sich um einen belanglosen Berichtsantrag – und zusätzliche Informationen können nicht schaden und tun auch keinem weh. Die Forderung – oder eher der fromme Wunsch – die Staatsregierung solle dafür Sorge tragen, unnötige bürokratische Hürden zu vermeiden, dürfte fraktionsübergreifend Konsens sein. Ebenso ist es allen im Saal klar, dass dies ein Wunsch bleiben wird …

Punkt 3 des Antrages zielt darauf ab, sicherzustellen, dass auch die Fachförderprogramme weiter zur Verfügung stehen. Das klingt erst einmal nicht schlecht. Über zu viel Geld hat noch niemand geklagt. Was steckt aber dahinter? Hier geht es um die Fortsetzung des Rumgewurschtels einander widersprechender Förderprogramme und –ziele.

Ich möchte das anhand eines konkreten  Beispiels verdeutlichen: dem Integrierten Ländlichen Entwicklungskonzept (ILEK) der bisherigen ILE-Region Dübener Heide mit dem schwungvollen Namen „BeschäftigungsReich und NaturReich: Die Naherholungs- und Gesundheitsregion Dübener Heide“ . Dort heißt es in der dazugehörenden SWOT-Analyse, zu den Chancen zähle der Ausbau von Beherbergungsstätten und Pensionen und damit die Schaffung neuer Arbeitsplätze. Ebenso setzt die Region auf Kooperationen zwischen Hotels und Gesundheitszentren, um den Gesundheitstourismus neben dem Naturtourismus zu etablieren. Letzterer soll Maßstäbe setzen, denn die Dübener Heide möchte einer jener zwei Naturparke in Deutschland zu sein, der das bestaufbereitete Angebot für Wildtierbeobachtung hat.
Um sich diesen Zielen zu nähern, wurden in der ILE-Region Dübener Heide etliche Projekte auf den Weg gebracht, gefördert mit Geld, welches ursprüglich vom Steuerzahler stammt. So wurde das Unternehmensnetz „Von Natur aus gesund“ gegründet, Naturheilkundetage organisiert und Maßnahmen zur Profilierung als Naherholungsregion angestoßen.

Meine Damen und Herren, damit wir uns nicht falsch verstehen: An dieser Stelle sind die Fördermittel richtig eingesetzt. Solche Projekte zu fördern ist Aufgabe des Entwicklungsprogramms für den ländlichen Raum – weshalb dieses Programm unsere grundsätzliche Unterstützung verdient.

Doch was ist in Nordsachsen parallel dazu geschehen? Dank der eingangs erwähnten Fachförderungen, z. B. für Investitionen in der Landwirtschaft, ist Nordsachsen mittlerweile auf dem Weg, das sächsische Zentrum der Massentierhaltung zu werden. Tierfabriken gigantischer Größe, teils noch in Planung – wie die von Straathof geplante Erweiterung der Sauenzucht in Wellaune von derzeit 6.000 auf dann 37.000 Schweine
oder bereits bestehend, wie in Mockrehna, wo 720.000 Masthänchen in einem Betrieb gehalten werden – passen so gar nicht zum regionalen Entwicklungskonzept, also zu den Zielen, die die Menschen vor Ort eigentlich erreichen wollen.

Meine Damen und Herren, hier haben wir die sogenannte Antinomie! Nicht miteinander vereinbare Ziele werden zugleich verfolgt. Fördermittel verpuffen auf diese Art und Weise zu einem erheblichen Teil leider wirkungslos. Uns Grünen geht der Antrag aus diesem Grund nicht weit genug. Es reicht nicht aus, einfach die Fortsetzung unterschiedlichster Förderprogramme zu fordern. Vielmehr muss zunächst geprüft werden, inwiefern die Fördertatbestände überhaupt geeignet sind, die regionalen Entwicklungsziele zu erreichen.

Würde man dies tun, würde man sich im Fall der Dübener Heide entscheiden müssen, ob man die touristische Entwicklung, regionale Wertschöpfungsketten und den Umwelt- und Naturschutz fördern möchte oder ob das Geld zum Aufbau agrarindustrieller Strukturen verwendet werden soll. Bezieht man die Ziele der Menschen vor Ort in die Entscheidung ein, so wäre die Antwort klar: „BeschäftigungsReich und NaturReich“ wird die Dübener Heide mit neuen Massentierhaltungsanlagen nie! Ganz im Gegenteil, Arbeitsplätze im bäuerlichen Mittelstand können so nicht entstehen und vorhandene Arbeitsplätze im Tourismussektor werden massiv gefährdet. Umweltbelastungen – wie durch Nitrat vergiftetes Oberflächen- und Grundwasser oder erhöhte Keimbelastung um die Riesenställe – stehen dem Gesundheitstourismus ebenso im Weg wie der Etablierung einer Naherholungsregion für Naturfeunde. Es bleibt der Verkehr, der Dreck und der Gestank und das dafür, damit ganz wenige Investoren damit Geld verdienen können. Das ist ein Irrweg!

 

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