Hochwasser an der Elbe (Urheber: euroluftbild.de/Grahn; CC BY-SA 3.0)

Hochwasserschutz: ‚Den Flüssen mehr Raum geben‘ in Sachsen nur noch leere Floskel

Anlässlich des heutigen Spatenstichs für den Polder Rösa in Sachsen-Anhalt an der Grenze zu Sachsen erklärt Wolfram Günther, umweltpolitischer Sprecher der GRÜNEN Landtagsfraktion:

„Der benachbarte 1.436 Hektar große Polder im sächsischen Löbnitz (Lkr. Nordsachsen) soll nach Angaben der Landestalsperrenverwaltung Sachsen nun erst im Jahr 2016 fertig werden. Damit sind mehr als zwölf Jahre nach der verheerenden Flut des Jahres 2002 nicht einmal zwei Prozent der danach geplanten Überflutungsflächen für den Hochwasserschutz gewonnen. Statt der angestrebten 49 Deichrückverlegungen und Polder mit insgesamt 7.500 Hektar Flächengewinn wurden bisher gerade einmal 141 Hektar Fläche gewonnen.“

„Fast das gesamte Geld, das seit 2002 für Hochwasserschutz ausgegeben wurde, floss in die Wiederherstellung oder den Neubau teurer technischer Bauwerke. Dafür wurden die ursprünglichen Pläne von 2002, rund 7.500 Hektar Überschwemmungsfläche an den Flüssen wieder bereitzustellen, durch die Staatsregierung auf inzwischen nur noch 4.850 geplante Hektar Überschwemmungsfläche verringert.“

„Selbst wenn sich die sächsische Staatsregierung an ihrer eigenen Reduzierung der geplanten Überflutungsfläche auf 4.850 Hektar messen lassen würde, käme sie immer noch nicht einmal auf drei Prozent. Warum sind in Sachsen eigentlich zwölf Jahre nach der Flut erst drei Deichrückverlegungen bei Eilenburg, Sermuth und Flöha fertig? Beim technischen Hochwasserschutz wurde erkennbar mehr aufs Tempo gedrückt und keinerlei Kosten gescheut.“

„Aus dem im Jahr 2002 scheinbar unumstößlichen ‚Den Flüssen mehr Raum zu geben‘ ist in Sachsen eine leere Floskel geworden. Die seitdem von den sächsischen Staatsregierungen bevorzugten technischen Bauten verschieben die Flut nur auf die Unterlieger. Dabei hat das Juni-Hochwasser 2013 gezeigt, dass die Hochwasserschutzpolitik in Sachsen dringend neu ausgerichtet werden muss.“
„Es sind die verstärkten Deiche, die immer öfter zu neuen Rekordpegelständen führen, während die natürlichen Rückhalteräume an den Oberläufen der Flüsse fehlen und auch durch Hochwasserrückhaltebecken – in die über 100 Millionen Euro investiert wurden – nicht ersetzt werden können. Stattdessen wurden ständig weitere Retentionsflächen aus den Plänen gestrichen.“

„Aktuell sind nur noch 30 Deichrückverlegungen und sieben Polder in Sachsen geplant.  Von insgesamt 1,23 Milliarden Euro sächsischem Hochwasserschutz-Geld wurden seit 2002 bis August 2014 mit 115 Millionen Euro nur neun Prozent für die Schaffung von Überschwemmungsflächen und Hochwasserrückhaltebecken entlang der sächsischen Gewässer eingesetzt. 109,7 Millionen Euro wurden davon allerdings allein zum Bau von Hochwasserrückhaltebecken investiert.“

„Nur rund 5 Millionen Euro und damit weniger als 0,5 Prozent flossen in die so entscheidende Rückverlegung von Deichen und die Herstellung von natürlichen Überschwemmungsflächen. Die Herstellung natürlicher Überschwemmungsräume für die Flüsse ist eigentlich wesentlich preiswerter als die Milliardeninvestition in immer höhere und stärkere Deiche. Selbst dann, wenn Sachsen, Landwirte im Überschwemmungsfall ausreichend entschädigt.“

„Der technische Hochwasserschutz wird allen Erfahrungen zum Trotz weiter klar bevorzugt. Das nötige Umsteuern in Richtung nachhaltigen Hochwasserschutz fehlt. Natürliche Auenflächen sind die besten Hochwasserschutzflächen. Technischer Hochwasserschutz sollte nicht für Waldflächen oder landwirtschaftliche Flächen eingesetzt werden. Die Relationen stimmen in Sachsen einfach nicht.“

Die GRÜNE Landtagsfraktion hatte im August 2013 Vorschläge zur Schaffung von mehr Überflutungsflächen in Sachsen vorgelegt. Auf 17 neuen Überflutungsgebieten an Elbe, Zwickauer Mulde, Freiberger Mulde und (vereinigter) Mulde könnten danach 3.428 Hektar weitere Flächen für den Hochwasserschutz in ehemaligen Flussauen gewonnen werden. Die Studie dazu war vom Auen-Institut Rastatt erarbeitet worden. Die Studie schlägt nicht nur für die Mulde neue Freiräume vor, sondern auch für die Elbe.

» Kleine Anfrage „Finanzielle Ausgaben und Stand der realisierten Deichrückverlegungen 2002 bis 2014 – Vorbeugender Hochwasserschutz in Sachsen“ (Drs. 5/14565)

» Kleine Anfrage von 2010: „Hochwasserschutz in Sachsen – Stand Umsetzung der Hochwasserschutzkonzepte“ (Drs. 5/3943)

» Grüne-Studie zur ökologischen Überprüfung der Hochwasserschutzstrategie des Freistaates Sachsen Teil 2 (2013) – Anhang 1: HWSK-Sachsen-Teil 2 Karten – Anhang 2: HWSK-Sachsen-Teil 2 Steckbriefe

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